Interview: „Wir wollen auch in Zukunft Good Practice bleiben!“
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20 November 2019Chemnitz ist Lead-Partner im URBACT-Netzwerk ALT/BAU, das sich mit der Wiederbelebung von historischen Wohngebäuden in von Leerstand betroffenen Stadtvierteln beschäftigt. Dr. Frank Feuerbach vom Dezernat für Stadtentwicklung und Bau ist Koordinator der lokalen URBACT-Arbeitsgruppe in Chemnitz. Im Interview zieht er eine Halbzeitbilanz und stellt heraus: Auch als Lead-Partner, der ein gutes Beispiel transferieren soll, kann man bei URBACT eine Menge mitnehmen.
Mit welcher Ausgangssituation sind Sie in das URBACT-Netzwerk gestartet? Was ist die Herausforderung in Ihrer Stadt?
Nachdem die Agentur StadtWohnen Chemnitz im Jahr 2017 als URBACT Good Practice ausgezeichnet wurde, fiel schnell der Entschluss, sich um die Leitung eines Transfernetzwerkes zu bemühen. Zu dem Zeitpunkt war die Stadt Chemnitz auch Partner in dem Aktionsplanungsnetzwerk 2nd Chance.
Daher wussten wir was URBACT bedeutet: Die Unterstützung durch die EU zum gezielten Austausch mit anderen Städten, die ähnliche Handlungsfelder bearbeiten und dabei über den berühmten Tellerrand blicken wollen. Das war und ist im Fall von Chemnitz weiterhin die intensive Auseinandersetzung mit leerstehenden Gebäuden. Beim Betrieb der Agentur StadtWohnen Chemnitz haben sich zudem seit der Ernennung zur URBACT Good Practice einige Rahmenbedingungen weiterentwickelt. Als Lead-Partner im ALT/BAU-Netzwerk wollen wir diese vor Ort mit unserer lokalen Arbeitsgruppe ausfindig machen und entsprechend nachjustieren.
Welche Ziele möchten Sie im Rahmen von URBACT speziell für Ihre Stadt erreichen?
Zunächst ist es für uns wichtig, eine Art Bestandsaufnahme der Agentur StadtWohnen Chemnitz zu erarbeiten, die ja beim Wissenstransfer auch wichtig für unsere Partnerstädte ist. Die Evaluation gibt uns Aufschluss über alles, was gut funktioniert und woran wir noch arbeiten müssen. Eng daran gekoppelt ist, ein tieferes Verständnis für ganz bestimmte Aspekte wie z.B. die Entwicklung des Chemnitzer Wohnungsmarktes oder die Perspektiven von schwer vermittelbaren Brachen und Ruinen zu erlangen.
Dies wird unter dem Ziel subsummiert, die Agentur und die Methodik weiterzuentwickeln. Darüber hinaus wollen wir Nutzer*innenperspektiven stärker beachten, damit bestimmte Zielgruppen künftig besser aktiviert und indirekt auch in die Stadtentwicklung einbezogen werden.
Welchen Mehrwert haben Sie bislang vom europäischen Austausch mit den anderen Städten Ihres Netzwerkes?
Obwohl die Städte natürlich ihre Eigenheiten haben, ist es erstaunlich, dass ein gemeinsames Verständnis über die Bedeutung der Reaktivierung von leerstehenden historischen Gebäuden besteht. Die verschiedenen Perspektiven und fallspezifischen Probleme regen meines Erachtens die Reflektion über unsere Situation und die Herangehensweise stark an. Die Erfahrungen der Partnerstädte und auch das Beobachten, wie sie den Aufbau einer Agentur für Leerstandsmanagement angehen, haben wir in unserer URBACT Local Group erst jüngst zusammengefasst. Darüber hinaus sind der Austausch mit den europäischen Partnern und die internationalen Meetings beflügelnd für die eigene Arbeit. Die Idee des „Projekts Europa“ wird ebenso deutlich wie die Gewissheit, dass Kooperation und voneinander Lernen die besten Früchte tragen.
Transfer-Netzwerke gab es bislang bei URBACT nicht. Was ist Ihr Eindruck: Funktioniert der Transfer auf die anderen Städte gut? Können Sie selbst auch noch etwas lernen?
Ich habe das Gefühl, dass die Partner einen großen Gewinn daraus ziehen, weil es eine Art Role Model gibt, das in den lokalen Kontext gestellt wird. Im Gegensatz zu den Aktionsplanungsnetzwerken gibt es einen reichhaltigen Wissensschatz, der nur noch erschlossen und nicht gänzlich neu aufgebaut werden muss. Daher glaube ich, dass alle Städte ehrlich an dem Know-How-Transfer interessiert sind. Bei dem Aufbau einer Agentur, welche die Renovierung und Wiederbelebung von historischen Wohngebäuden zum Ziel hat, können die Partnerstädte auf eines allerdings nicht zurückgreifen: Eine nationale Städtebauförderung, wie es in Deutschland der Fall ist. Es werden also wahrscheinlich keine reinen Abbilder der Agentur StadtWohnen entstehen.
Als Lead Partner war es zunächst nicht leicht, unsere eigene Rolle für die Arbeit mit unseren lokalen Akteur*innen in der URBACT Local Group zu finden. Das hat sich ab dem Moment geklärt, als wir erkannten, dass es für uns darum gehen muss, wie die Agentur StadtWohnen weiterentwickelt werden kann, damit wir auch zukünftig eine Good Practice bleiben. Insgesamt funktioniert also der Transfer und wir als Stadt Chemnitz lernen ebenfalls. Die Umsetzungsphase beginnt zwar erst im kommenden Jahr, aber ich denke die Partnerstädte werden es rocken!
Das URBACT-Programm möchte natürlich nachhaltige positive Entwicklungen anstoßen und fördern. Wie ordnet sich vor diesem Hintergrund URBACT in eine gesamtstädtische Strategie ein? Ist bereits absehbar, was nach URBACT kommt?
Die kontinuierliche Reaktivierung von leerstehenden Altbauten ist tief verankert in dem operativen und strategischen Verwaltungshandeln in Chemnitz. Dieses zielt auf die Stärkung der gewachsenen Stadtquartiere und das Vorhaben, Schrumpfungsprozessen positive Entwicklungen entgegenzusetzen. Aktuell wird die Chemnitz Strategie - ein Leitbild für das Jahr 2040 - erarbeitet. Die Agentur bedient da viele thematische Schnittmengen, z.B. wenn es um eine Positionierung geht, wie wir lokal mit spekulationsbedingten Preissteigerungen umgehen, welche die Entwicklungsperspektive einzelner Gebäude oder Brachflächen eher trüben.Die Arbeit im URBACT-Programm ermöglicht uns, viele relevante Akteur*innen in einem etwas anderen Kontext zusammenzubringen und an dem zu arbeiten, was letztlich über den künftigen Erfolg der Agentur StadtWohnen Chemnitz hinausgeht.
Links zu weiteren Informationen:
- https://www.stadtwohnen-chemnitz.de/
- https://www.chemnitz.de/chemnitz/de/unsere-stadt/stadtentwicklung/eu-foerderung/urbact/index.html
Copyright Fotos: Titelbild (© URBACT); weitere Bilder (© Agentur StadtWohnen Chemnitz)
Submitted by Hauke Meyer on