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Wie gehen URBACT-Städte mit Corona um?

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07 December 2020
Read time: 4 minutes

Die Covid 19-Pandemie verändert gerade unser aller Leben. Gleichzeitig zeigt sich nun, wie resilient unsere Städte eigentlich sind. Kommunen beschreiten derzeit neue Wege, wenn es darum geht, Gesundheitsdienstleistungen in vorderster Front aufrecht zu erhalten, Nahrungsmittel zur Verfügung zu stellen, die lokale Wirtschaft zu unterstützen und das psychische Wohlergehen der Menschen zu gewährleisten. Viele können dafür auf Kompetenzen und Erfahrungen zurückgreifen, die sie in URBACT-Netzwerken aufgebaut haben. Dies zeigt, dass die Prinzipien des URBACT-Programms, wie etwa das Einbinden lokaler Akteure und der transnationale Austausch, Städte dabei unterstützen können, ihre Ziele zu erreichen – sogar in Krisenzeiten. Wir haben einige unserer URBACT-Expert*innen gefragt, welche Städte besonders beispielhaft mit der Krise umgehen bzw. welche Maßnahmen ihnen bislang positiv aufgefallen sind. Lesen Sie hier, was uns die Expert*innen erzählt haben. Weitere Analysen folgen in den nächsten Wochen, also bleiben Sie auf dem Laufenden!

Städte unterstützen die Gesundheitssysteme

Pflegepersonal in Krankenhäusern ist momentan ganz besonders auf kommunale Unterstützung angewiesen. “Momentan konzentrieren sich die Städte ganz darauf, die drängenden Problem kurzfristig zu lösen“, betont Eddy Adams. “Das bedeutet, die Ärztinnen und Ärzte zu unterstützen, wie es in Piräus, Griechenland, geschieht. Dort hat ein Blue Lab 3D-Drucker so umprogrammiert, dass sie damit jetzt Masken für das medizinische Fachpersonal herstellen können. „Diese Initiative knüpft an die Erfahrungen der Stadt an, lokale Innovation mit dem “BlueGrowth”-Wettbewerb zu unterstützen. Dieser wurde von URBACT 2017 als “Good Practice” ausgezeichnet. Aktuell ist Piräus mit dieser Idee Lead Partner des Transfer-Netzwerkes BluAct.

Ivan Tosic hebt hervor, dass Budapest trotz der zunehmenden Zentralisierung durch die Regierung in Ungarn in den letzten Jahren und trotz der strengen Kürzungen für Kommunalausgaben vorbildlich reagiere: „Die Hauptstadt hat medizinische Ausstattung im Ausland bestellt und diese an Krankenhäuser, Obdachlosenunterkünfte und Altenheime verteilt. Budapest hat außerdem Vereinbarungen mit privaten Gesundheitsinstitutionen geschlossen, um Angestellte auf Corona testen zu lassen, die in Schlüsselpositionen für das Funktionieren der gesamten Stadt arbeiten.”

Lösungsansätze von Bürgerinitiativen sind auch ein wichtiger Aspekt im Kampf der Menschen gegen diese Krise, die die Gesundheitssysteme stark beansprucht. Stadtverwaltungen stehen aber erst am Anfang, wenn es darum geht, wie man solche Initiativen unterstützen und ermutigen kann. Laura Colini war beeindruckt davon, dass das URBACT Transfer-Netzwerk Volunteering Cities – basierend auf dem guten Beispiel der zypriotischen Stadt Athienou mit Freiwilligenarbeit (MCV) – “jetzt seine Erfahrungen zum Engagement von Freiwilligen in verschiedenen Städten teilt, wenn es darum geht, unbedingt notwendige Produkte herzustellen, wie etwa Masken oder andere benötigte Materialien“.

Städte unterstützen die lokale Wirtschaft

Angesichts der Auswirkungen der Lockdown-Politik auf die Wirtschaft haben viele Städte zügig Maßnahmen eingeführt, um Mieten und Gewerbesteuern einzufrieren. Gleichzeitig helfen sie lokalen Unternehmen dabei, Unterstützung und Förderung in Anspruch zu nehmen. Ivan Tosics macht deutlich: “Budapest hat die Löhne von Angestellten in Stadt-eigenen Unternehmen erhöht und ein Moratorium für Mietzahlungen von kleinen und Mikro-Unternehmen eingeführt, die Räume von der Stadtverwaltung mieten. Zudem hat Budapest den Geschäften in der Stadt kostenlose Schilder angeboten, mit denen sie auf das Abstandsgebot zwischen den Kunden hinweisen können.”

Viele Städte suchen nach Möglichkeiten, um ihre digitalen Dienstleistungsangebote auszuweiten, auch für lokale Unternehmen, die unter den aktuellen Umständen keine traditionelle Unterstützung in Anspruch nehmen können. Lange vor der COVID-19-Pandemie hatte das URBACT-Netzwerk TechTown bereits die Bedeutung der digitalen Wirtschaft hervorgehoben. Der Lead Partner, das Digitale Medienzentrum von Barnsley (UK), wurde als URBACT Good Practice ausgezeichnet, und leitet auf dieser Basis nun aktuell das URBACT Transfer-Netzwerk TechRevolution.

Sally Kneeshaw hat mitverfolgt, wie die Stadt aus diesen Erfahrungen gelernt hat, um nun auf die aktuelle Krise zu reagieren: „Das Digitale Medienzentrum von Barnsley ist letzte Woche auf eine virtuelle Arbeitsweise umgeschwenkt, um Unternehmen mit Chats und Call Centern zu unterstützen. Außerdem hat es zugesagt, die Beihilfe der Regierung für diejenigen zu finanzieren, die in den am meisten betroffenen Bereichen arbeiten, wie im Handel, in Kultur und Freizeit oder im Gastgewerbe.“ Die Plattform gibt außerdem Tipps und Hilfestellung für sicheres Arbeiten im Homeoffice.

Die lokale Wirtschaft unterstützen bedeutet auch, denjenigen Familien zu helfen, die am meisten von Arbeitsplatz- und Einkommensverlust betroffen sind. Der Umgang mit Arbeitslosigkeit wird gerade in vielen Ländern auf die aktuellen Anforderungen der Krise angepasst. Laura Colini hebt hervor, dass das URBACT-Netzwerk Volunteering Cities auch neue Ideen zum Umgang mit dem Einbezug von lokalen Unternehmen oder Arbeitnehmern habe, wenn es darum geht, Produkte oder Finanzspritzen für Familien in Not bereitzustellen.

Städte gewährleisten lokale Nahrungsketten

Viele Europäerinnen und Europäer sorgen sich, ob die Nahrungsversorgung durchgehend gewährleistet werden kann, da Produktion und Logistik durch den Shutdown beeinträchtigt sind. Das URBACT-Netzwerk AGRI-URBAN hat sich bereits im Jahr 2016 damit beschäftigt, wie die lokale Versorgung verbessert werden kann. Die französische Lead-Partner-Stadt Mouans-Sartoux wurde 2017 als URBACT Good Practice City für ihr Agrar-Kollektiv ausgezeichnet, das für das Schulessen in der Kleinstadt verantwortlich ist. 2018 übernahm Mouans-Sartoux den Lead des Transfer-Netzwerkes BioCanteens.

Marcelline Bonneau hat sich angeschaut, wie die Stadt mit der aktuellen Krise umgeht: “Der kommunale Landwirtschaftsbetrieb, der ursprünglich Bio-Obst und -gemüse für drei Schulkantinen bereitstellte und damit 1.000 Mittagessen pro Tag abdeckte, hat seine Vertriebswege jetzt diversifiziert um breiteren Bedürfnissen gerecht zu werden und Arbeitsplätze zu schützen. Ein Teil des Anbaus geht noch immer an die Schulkantinen; daraus wird das Mittagessen für einige dutzend Kinder von Pflegepersonal und städtischen Angestellten gekocht, die noch in die Schule gehen dürfen. Ein anderer Teil wird verarbeitet und eingefroren, wieder ein anderer geht an soziale Lebensmittelläden in der Stadt.“

Die Stadtverwaltung denkt bereits darüber nach, wie sie auf die anhaltenden Herausforderungen in der Nahrungsmittelkette reagieren kann. „Der bald erntereife Salat, der nicht eingefroren werden kann, wird wahrscheinlich an das benachbarte Krankenhaus in Grasse geliefert“, erklärt Bonneau. Währenddessen sucht die Stadt nach Möglichkeiten, die Produktion in der nächsten Pflanzsaison zu erhöhen, um eventuell auftretende Engpässe in den konventionellen Nahrungsmittelketten antizipieren und abpuffern zu können.

In Vic, Spanien, so erzählt Eddy Adams, werden Verkäufer momentan geschlossener Gemüsemärkte dazu animiert, isolierte Menschen der Risikogruppen zu beliefern. Vic ist Lead Partner des neuen URBACT-Netzwerkes Healthy Cities. Solche zielgerichteten Ansätze können entscheidend sein, wenn es darum geht, die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage im Kontext des Lockdowns zu schließen.  

Städte unterstützen Bildung und das psychische Wohlbefinden der Menschen

Nationale Bildungssysteme kämpfen gerade mit der Umstellung darauf, dass Schüler und Studenten momentan von zu Hause aus arbeiten und lernen müssen. Mirella Sanabria, Lead Expertin beim URBACT Transfer-Netzwerk On Board erzählt uns: “Das stresst manche unserer Partner extrem – insbesondere in großen Städten. Auf der anderen Seite kommen jetzt auch einige lokale Initiativen zum Zug und setzen ihre innovativen Ideen zur Nutzung digitaler Instrumente im Bildungsbereich in die Praxis um. Dies ist zum Beispiel ein zentraler Aspekt des Educational Innovation Netzwerks das On Board aktuell auf seine Partnerstädte übertragen möchte.“

So hat zum Beispiel die spanische Stadt Viladecans, Lead Partner im On Board-Netzwerk, eine School at Home!-Webseite entwickelt, die täglich neue kreative Lern-Aktivitäten für Kinder und Familien zur Verfügung stellt. Im schwedischen Halmstad, Partner im selben Netzwerk, gibt eine Berufsschule jetzt online Kochkurse. Die Stadt liefert Körbe mit Essen an die Schüler, die die Mahlzeiten vorbereiten. Das fertige Essen wird schließlich an Menschen mit besonderen Bedürfnissen oder in Not vergeben.

Über Bildung hinaus ist es Sally Kneeshaw wichtig zu betonen: “Wir alle lernen gerade, wenn wir es nicht sowieso schon wussten, wie sehr wir Kultur brauchen. Ich finde es toll, dass die Bibliothekar*innen der Hauptbibliothek Tallinn, Estland, auf Nachfrage hin Bücher für Kinder zu Hause über Skype oder Telefon vorlesen. Das spanische Zaragoza hat derweil einen Fotografie-Wettbewerb ausgelobt: #DesdeMiVentana („Aus meinem Fenster“). Er richtet sich an junge Menschen zwischen 12 und 30 Jahren, die Altersgruppe also, die es am schlimmsten findet, ständig drinnen zu bleiben.“

Marcelline Bonneau erzählt von einem anderen Beispiel in der spanischen Stadt Mollet del Vallès, die ein Freizeit-zu-Hause-Programm mit Vorschlägen für Daheim-Aktivitäten für ihre Bürgerinnen und Bürger entwickelt hat, die ihre Wohnungen überhaupt nicht mehr ohne guten Grund verlassen dürfen. Gelauncht am 27. März 2020, hat jeder Interessierte Zugang zu einer Auswahl an Vorschlägen, allein oder mit der Familie. Die Aktivitäten reichen von Physik-Stunden über Gedächtnis-Übungen bis hin zu Kochen mit Robotertechnik. Die Plattform wird ständig aktualisiert und vergrößert.

Laura Colini hebt zudem die Arbeit des URBACT-Transfer-Netzwerkes ON STAGE hervor: “Es arbeitet daran, neue Fächer an den Schulen einzuführen, basierend auf Musik und Kunst, ganz nach dem Motto ‚Menschen mit Musik zusammenhalten‘. Das Netzwerk teilte kürzlich eine Video-Performance von Schülern der #ZsOsmec-Schule der tschechischen Partnerstadt Brno”. Solche Initiativen erinnern uns daran, wie wichtig es ist, in diesen herausfordernden Zeiten nicht die gute Laune zu verlieren.

 

Vergessen Sie nicht, die Interaktive Landkarte anzuschauen, auf der Sie andere großartige städtische Beispiele finden, die das URBACT-Programm in ganz Europa unterstützt.

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Den englischen Original-Text finden Sie hier.