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Wahrnehmung von Chemnitz auf europäischer Ebene erhöhen

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17 August 2018
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Interview mit Thomas Mehlhorn zu den Ergebnissen des URBACT-Netzwerkes 2nd Chance.

„Schlafende Riesen wecken“ – das war das Motto des URBACT-Netzwerkes „2nd Chance“, das im Frühjahr 2018 seinen Abschluss fand. Schwerpunkt der teilnehmenden Städte war die Revitalisierung von großen innerstädtischen Brachflächen und leerstehenden Gebäuden. Auch Chemnitz mit seiner über 200-jährigen Industriegeschichte war am Netzwerk beteiligt. Die sächsische Großstadt suchte im Rahmen von „Second Chance“ nach langfristigen Nutzungskonzepten für den ehemaligen Spinnereimaschinenbau. Thomas Mehlhorn, Mitarbeiter bei der Stadt Chemnitz, erzählt im Interview, wie seine Stadt von der Teilnahme an „Second Chance“ profitiert hat und worauf „Neueinsteiger“ bei URBACT achten müssen.

Mit welcher Ausgangssituation sind Sie in das URBACT-Netzwerk gestartet? Was war Ihre Motivation und Zielstellung, bei URBACT mitzuwirken?

Der Chemnitzer Stadtrat hat 2015 die Verwaltung beauftragt, stärker in der europäischen Netzwerkarbeit und in transnationalen Projekten mitzuwirken. Das Thema von 2nd Chance, die Wiederbelebung großer leerstehender Gebäude, passte zu einer typischen Problemsituation in Chemnitz und war und ist von großer stadtpolitischer Bedeutung: Mit der Entwicklung einer Aktivierungsstrategie für den Spinnereimaschinenbau unterstützt die Stadt Chemnitz in der Gewerbeflächenentwicklung die Revitalisierung von privaten Bestandsflächen am traditionellen Gewerbestandort Altchemnitz. Unser Antrieb zur Teilnahme am Programm war, dass wir neue Methoden und Austauschformate der integrierten Stadtentwicklung kennenlernen wollten. Oberstes Ziel war es, die Wahrnehmung von Chemnitz auf der europäischen Ebene zu erhöhen, die partnerschaftliche Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Akteuren zu erproben und die gebietlichen Entwicklungsziele voranzutreiben.

Was sind die zentralen Ergebnisse, die Sie im Rahmen von URBACT für Chemnitz erreichen konnten?

Die hiesigen Projektmitglieder schätzten besonders den fachlichen und persönlichen Austausch in der „bunten“, fachübergreifenden Arbeitsgruppe vor Ort. Das Zielobjekt Spinnereimaschinenbau wurde durch das Projekt in die Chemnitzer Industriekultur-Route aufgenommen und man kann vor Ort anhand von sechs QR-Code-Tafeln seine Industriegeschichte erleben. Als Gastgeber eines Netzwerk-Treffens hatten wir im Herbst 2016 die Möglichkeit, den europäischen Partnern unsere guten Praxisbeispiele zu zeigen und vorzustellen. Zudem wurde die Agentur StadtWohnen Chemnitz im Sommer 2017 mit dem URBACT „Good-Practice-Label“ ausgezeichnet. Die Trägergesellschaft WGS leitet aktuell gemeinsam mit der Stadt Chemnitz als Lead Partner das Transfer-Netzwerk ALT/BAU.

Inwiefern konnten Sie vom europäischen Austausch mit den anderen Städten profitieren?

Bei den sechs thematischen Netzwerk-Treffen in Liverpool, Chemnitz, Porto, Gijon, Brüssel und Neapel sowie des trilateralen Treffens in Maribor hat Chemnitz viel über die lokalen Aktivitäten der anderen Partner erfahren, ebenso zu deren Zwischenergebnissen und Problemen bei der Erstellung des integrierten Aktionsplans. Gleichzeitig bekamen wir auch Hinweise zu interessanten Projektbeispielen. Durch tolle Gesprächspartner und an spannenden Orten lernten wir eine Reihe inspirierender Praxisbeispiele kennen. Exemplarisch genannt seien hier die Erfahrungen der slowenischen Stadt Maribor bei der Umnutzung alter Gebäude durch kulturelle Nutzungen. Auch die Formen der Bürgerbeteiligung in Liverpool haben uns sehr beeindruckt. Wir haben sie bei der Erarbeitung unserer Strategie auf einen öffentlichen Aufruf zur Standort- und Unternehmensgeschichte des ehemaligen Fabrikkomplexes übertragen. Daneben gab es auch mit der Stadt Gent, Lead Partner im verwandten Netzwerk REFILL, einen regen Gedankenaustausch zum Aktionsplan für den Spinnereimaschinenbau auf der Abschlusskonferenz im April 2018.

Was würden Sie einer Stadt raten, die sich im nächsten Call für ein Aktionsplanungsnetzwerk bewerben möchte?

Das Thema sollte typisch sein für das Profil der Stadt, zentrale Fragestellungen der Stadtentwicklung beinhalten und auf Vorhandenem aufbauen. Die frühzeitige Klärung bzw. Schaffung notwendiger Kapazitäten sowie die Sicherung finanzieller Ressourcen (Stichwort: kommunaler Eigenanteil) ist essentiell für die Durchführung. Egal ob als Partner oder Lead Partner, der Austausch mit einer aktiven URBACT-Stadt ist sinnvoll. Zur Verbreitung der Ergebnisse ist es hilfreich, einen interessierten lokalen Journalisten wie auch einen stadtpolitischen Unterstützer zu gewinnen und frühzeitig einzubinden.

Welchen Mehrwert hatte das URBACT-Programm für Ihre Stadt?

Mit der Unterstützung eines neuen Partizipations-Formates von Kreatives Chemnitz e.V., bei dem wir bei einem Kreativ-Workshop gemeinsam Visionen entwickelt haben, konnten wir den Instrumentenkoffer der Stadt bereichern. Durch den Aktionsplanungs-Ansatz erweitern wir unsere langjährigen Erfahrungen und Kenntnisse in der nachhaltigen, integrierten Stadtentwicklungsplanung bzw. Stadterneuerung. Die Teilnahme an URBACT leistete einen Beitrag dazu, die internen Abläufe im Umgang mit transnationalen EU-Projekten zu verbessern, insbesondere in den Bereichen Projekt- und Finanzmanagement.

Wie geht es jetzt weiter?

Den interdisziplinären Fachaustausch führen wir in Form eines erweitertenThomas Mehlhorn Kreises der Jour fixe Termine zur Revitalisierung des Gewerbestandortes Altchemnitz fort. Der Aktionsplan soll Grundlage für eine Rahmenvereinbarung zur Umsetzung mit dem Eigentümer werden. Wir suchen gegenwärtig noch nach Wegen, eine Ausstellung zu Geschichte und Wissenswertem über den Spinnereimaschinenbau kurzfristig zu konzipieren und im Objekt zu zeigen. Es gibt Signale, dass der Eigentümer Spinnwerk das neue Beleuchtungskonzept schrittweise umsetzen will. Eine zweite Straßenerschließung ist Planungsziel in einem Bebauungsplanverfahren. Die Verbesserung der Energieversorgung im Komplex wird aktuell mit der Erstellung des energetischen Quartierskonzeptes Altchemnitz betrachtet.

 

2nd Chance – Waking up the Sleeping Giants                             

Lead Experte:                        Nils Scheffler

Lead Partner:                         Neapel, Italien

Weitere Partner:                    

Dubrovnik (Kroatien), Maribor (Slowenien), Lublin (Polen), Chemnitz (Deutschland), Brüssel (Belgien), Caen (Frankreich), Liverpool (Großbritannien), Gijon (Spanien), Porto (Portugal), Genua (Italien)

Weitere Informationen zu den Projektergebnissen finden Sie hier.              

Ein weiteres Interview mit Herrn Mehlhorn vom August 2017 können Sie hier nachlesen.

 Copyright Fotos: trendsetter Fotografie; Kristin Schmidt