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URBACT „Good Practice“ Städte: Das Geheimnis wird gelüftet

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05 July 2017
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Von Eddy Adams. Was verbindet Barcelona, Tampere und Dupnitsa? Nicht viel, mögen Sie vielleicht denken. Barcelona ist eine globale Stadt mit einem internationalen Ruf für Innovation, Gastronomie und Kultur. Tampere ist eine mittelgroße Stadt in Finnland, die historisch mit der industriellen Revolution des Landes verbunden ist. Dupnitsa ist ein kleines Ballungsgebiet im Westen Bulgariens am Fuß des höchsten Bergs im Balkan. Die Antwort? Alle drei wurden kürzlich als „URBACT Good Practice“-Stadt ausgezeichnet.

Die Auswahl der beispielhaften Städte fiel dem Komitee angesichts der großen Beteiligung am URBACT „Good Practice“ Call nicht leicht. Fast dreihundert Städte aus jedem Winkel Europas hatten sich beworben. Die ausgewählten beispielhaften Vorhaben kommen aus 25 Mitgliedstaaten. Dabei sind Städte jeder Größenordnung, die meisten sind kleinere und mittlere Städte mit bis zu 250.000 Einwohnern – die Größe also, in der die meisten Europäer leben. Für URBACT ist es erfreulich zu sehen, dass mehr als ein Drittel, also 33 der insgesamt 97 ausgezeichneten beispielhaften Vorhaben, aus Städten kommen, die zuvor noch keinen Kontakt mit dem URBACT-Programm hatten. Da URBACT die Mission hat, den Aufbau von Kompetenzen in der nachhaltigen Stadtentwicklung in ganz Europa zu unterstützen, hat die Teilnahme von „URBACT-Neulingen“ eine besondere Priorität. Eine aktive Werbung für den Good Practice Call, zum Beispiel durch die Nationalen URBACT Informationsstellen (NUPs) und die einfache Bewerbungsprozedur waren sicherlich wichtige Faktoren für diesen Erfolg.

Themen der URBACT „Good Practices“ spiegeln die Prioritäten der EU Urban Agenda wider
Es ist wichtig anzumerken, dass der URBACT Call komplett offen war. Es gab keine thematischen Prioritäten, die Städte hatten also die Freiheit, ihren Schwerpunkt selbst zu wählen. URBACT gab lediglich vor, dass die Themen relevant sein und die Ansätze nachgewiesenermaßen funktionieren und übertragbar sein sollten. Zudem war ein Einklang mit den Prinzipien des URBACT-Programms gefordert. Folglich zeigen die eingegangenen Bewerbungen gut, wo die thematischen Prioritäten der Städte liegen.
Die Liste der Gewinner Ideen zeigt ein klares thematisches Muster. Achtzehn der ausgewählten „Good Practice Cities“ behandeln das Thema Armut in der Stadt. Fünfzehn gehen das Thema nachhaltige Bodennutzung an. Elf der ausgezeichneten Ansätze konzentrieren sich auf Beschäftigung und Qualifikation. Darüber hinaus gibt es beispielhaften Praxisvorhaben zu den Themen Kreislaufwirtschaft, Integration von Migranten und digitaler Wandel.

Das sich hier abzeichnende Bild stimmt recht stark mit den Themen der Städtischen Agenda der EU (Urban Agenda) überein. Die Urban Agenda steht für das Engagement der Kommission, Städte verstärkt in die Politikgestaltung einzubeziehen, um so die städtische Dimension der EU-Politik zu stärken. Sie hat drei Ziele: bessere rechtliche Regulierungen; verbesserter Zugang zu Finanzierung und Förderung und eine bessere Verteilung von Wissen. Sie wird prinzipiell von zwölf thematischen Partnerschaften getragen. Wie die Abbildung zeigt, decken sich diese mit den Guten Praktiken, die von URBACT ausgewählt wurden. In den kommenden Monaten wird das URBACT-Programm die prämierten Städte und ihre beispielhaften Vorhaben stark bewerben,  sodass andere Kommunen von ihnen lernen und letztlich ihre eigenen Probleme besser angehen können. Alle 97 „Good Practices“ finden Sie auf einer Datenbank auf der URBACT-Webseite.

Mouans-Sartoux: Landwirte vor Ort übernehmen Schulcatering
Mouans-Sartoux ist eine kleine Stadt in der Region Alpes-Maritimes in Südost-Frankreich. Seit 1998 erforscht  diese Pionierkommune die Zusammenhänge zwischen Nahrungsmitteln, Gesundheit und Umwelt. In einer Gegend mit enorm hohen Bodenwerten und einem starken Siedlungsdruck hat dies eine lebhafte Debatte über die Nutzung von städtischem Boden und die Beziehung von Stadt und Land angestoßen. Blick in die Zukunft, ins Jahr 2017: Mouans-Sartoux versorgt nun seine Schulen jeden Tag mit hundertprozentig lokal erzeugtem, biologischem Essen. Dafür wird ein stadteigener Bauernhof betrieben,  der zwei Landwirte mit dem Gemüseanbau für die Kantinen beschäftigt. Mittlerweile werden damit 85 Prozent des Bedarfs der drei Schulen gedeckt (1.000 Gerichte pro Tag). Zudem wurden öffentliche Vergabevorschriften geändert und lokale Produzenten dadurch ermutigt, sich auf Ausschreibungen zu melden. Die Stadt arbeitet nun an einem lokalen Agrar-Ernährungssystem und Weiterbildungen, um die Initiative auszuweiten.

Antwerpen: Einkaufsgegend durch Zwischennutzung aufgewertet
Antwerpen beschäftigt sich mit leerstehenden Kaufhäusern und Läden. Wie viele andere Kommunen möchte die belgische Stadt dafür Zwischennutzungen fördern.  Die integrierte Multi-Stakeholder Strategie, welche im Stadtteil Oud Berchem angewendet wurde, hat sich als eine gute Methode herausgestellt, um eine Einkaufsgegend mit sinkendem Bodenwert in eine lebhafte Achse der Kreativität zu verwandeln. Für 70 Prozent der leerstehenden Verkaufsflächen konnten bereits Zwischennutzungen gefunden werden.

Danzig: So Stay Hotel
Mit dem „So Stay Hotel“-Modell unterstützt Danzig  junge Menschen, die im Heim aufgewachsenen sind. Viele davon haben Schwierigkeiten, eine dauerhafte Beschäftigung zu finden. Das Projekt wurde als eine Zusammenarbeit zwischen der polnischen Stadt und der Stiftung für Soziale Innovation etabliert und ist ein gutes Beispiel für neue Arbeitskonstellationen. Das innovative Modell des Hotels, das erste seiner Art in Polen, kombiniert einen marktbasierten Ansatz mit sozialer Verantwortung. Das So Stay Hotel wird als kommerzielles Hotel geführt und gibt den jungen Heimbewohnern die Möglichkeit, Qualifikationen und Arbeitserfahrungen in einer geschützten Umgebung zu erlangen. Es bietet außerdem Unterstützung bei der Unterkunft und ist somit eine wichtige Plattform für den Übergang zu einem unabhängigen, selbstbestimmten Leben.

Piräus: Förderung von Start-up-Unternehmen in der maritimen Wirtschaft
Die Initiative für Blaues Wachstum aus der griechischen Hafenstadt Piräus setzt ihren Schwerpunkt auf die maritime Wirtschaft.  Mit einem Aufruf zum Einreichen von Vorschlägen wurden junge Unternehmer dazu inspiriert, innovative Konzepte umzusetzen und Jobs und Dienstleistungen zu entwickeln, die im Zusammenhang mit dem Meer und Frischwasserressourcen stehen. Erfolgreiche Konzepte erhielten sechs Monate lang eine Anschubfinanzierung sowie Zugang zu einem etablierten Netzwerk von Experten im Bereich der maritimen Wirtschaft. Der Ansatz hat geholfen, das Netzwerk aus Partnern, Sponsoren, Beratern und Akademikern rund um die Blaue Wirtschaft im größten Hafen Griechenlands zu stärken. Die Initiative wurde bereits von der EU ausgezeichnet. Bis heute konnte  „Bluegrowth“ die Gründung von zehn Start-Ups initiieren und hat 55 Jobs geschaffen.

Santiago di Compostela: Recycling belohnen!
Das „Tropa Verde Modell“, das in Santiago di Compostela, Spanien, entwickelt wurde, hat das Abfallbewusstsein der Bürger positiv verändert. 2015 wurde bei Umfragen ein großer Unwillen der Bevölkerung deutlich, was das Recycling betraf. Grund dafür waren mangelnde Informationen, zudem fehlte eine Kultur der Wiederverwertung in der Stadt. Um diese Probleme anzugehen, hat die Stadtverwaltung eine spielerische Internet-Plattform entwickelt, die das Recyclingverhalten der Bewohner mit Belohnungen von städtischen Händlern verbindet. Innerhalb von zwei Jahren hat sich die Recyclingrate deutlich erhöht. Während dieser Zeit haben mehr als 115 Sponsoren über 800 Belohnungen angeboten, von Hotelübernachtungen bis Schönheitsbehandlungen. Diese wurden gegen über 16.000 Recycling-Aktionen der Bürger getauscht. Durch Workshops, Straßenfeste und Werbeaktionen wurde das Projekt in der Bevölkerung bekannt gemacht. Auch die Schulen waren dabei: tausende Liter Frittier-Öl und über 3000 Haushaltsgeräte konnten recycelt werden. Und das Modell weitet sich aus, mindestens sechs spanische Städte benutzen das Tropa Verde Modell mittlerweile.

Ostrava: Partizipativer Ansatz für den Strategischen Entwicklungsplan
Bürgerbeteiligung ist eine der Hauptprioritäten für das tschechische Ostrava. 2017 hat die Stadt im Rahmen der Kampagne „Schönes Ostrava“ ein Verfahren entwickelt, um die Bürger in die Entwicklung eines Strategischen Entwicklungsplans zur Erhöhung der Wohneigentumsquote einzubinden. Dabei wurden 250 Experten aus verschiedenen Disziplinen der Stadtentwicklung sowie fast 20.000 Bürger und Stadtbesucher miteinbezogen. Die Initiative war ein Durchbruch für Partizipationsprozesse in der Tschechischen Republik, mit weitreichenden positiven Effekten.

Was passiert als nächstes?
In den nächsten Wochen und Monaten werden Neuigkeiten aus den prämierten Städten auf der Website, dem Blog und in den Social Media Kanälen von URBACT geteilt. Alle Preisträger werden zudem beim URBACT Festival in Tallinn im Oktober 2017 ausgezeichnet.