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A Tale of Two Cities. Transfer Stories from East and West.

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07 June 2021
Read time: 4 minutes

Two German cities are currently lead partners in the 23 URBACT transfer networks. Altena in North Rhine-Westphalia and Chemnitz in Saxony. Altena shared its best practices on how to develop sustainable initiatives with a minimum of external resource input. In the Re-growCity network, the partner cities were supported in the revitalization of public services and the economy, regenerate the urban fabric and develop civil society in a context of long term decline. Chemnitz shared its good practice of activating vacant buildings in need of refurbishment in the ALT/BAU Network.

Both cities were forced to develop methods to lessen the impact of the severe population loss. Chemnitz, in the east, lost about 25% of its population after German reunification until 2005, most of whom migrated to the west to find employment.  Altena, in the west, has been losing residents since the 1970s. Between 1990 and 2009, the city was subject to a 15% population decline, making it the municipality with the fastest population decline in NRW.

How did the two cities experience the transfer process in the URBACT networks over the past two and a half years? Volker Tzschucke, ULG member in Chemnitz reports about both cities.

Two cities exploring Europe

At first glance, Chemnitz and Altena don't have much in common. Chemnitz, Saxony's third-largest city with just under 250,000 inhabitants, offers plenty of space: socialist wide streets, large parks and squares and car parks. Altena, with 18,000 inhabitants, is located in the Märkischer Kreis in North Rhine-Westphalia and presents a face that a model railway enthusiast would dream of: a river in the valley, railway tracks beside it. On the ridges along the river on one side proud villas and on the other a historic old town that winds its way up to the soon to be 1,000-year-old castle on the hilltop.

At second glance, the cities are more similar: both with a formative industrial past. Both with "15 minutes of fame" in recent years, but of the kind that one would have liked to do without: Altena attracted attention throughout Germany because its mayor Andreas Hollstein was attacked with a knife in a kebab snack bar in 2017: The perpetrator was dissatisfied with the refugee work of the local politician, who also wanted to do something against the ageing of his town by taking in an above-average number of refugees. In Chemnitz, such dissatisfaction manifested itself in the course of the refugee crisis in 2018, when the city became a parade ground for right-wing radicals from all over Germany. Chemnitz is also ageing and losing inhabitants step by step. In both cities, population development leads to high vacancy rates in residential buildings or in shop spaces, which are all too often left to themselves and thus to decay. But in both cities these developments were recognised several years ago and steps were taken to counteract them - such good and successful steps that they were recognised by the European Union as exemplary: Both Altena and Chemnitz were therefore invited to pass on their experiences to other cities within the framework of the EU's URBACT programme, which deals with urban development issues.

Altena did this in the URBACT Transfer Network Re-growCity while Chemnitz managed the Transfer Network ALT/BAU.

 

Herausforderung schrumpfende Stadt

Andreas Hollstein erreicht man im Herbst 2020 an einem seiner letzten Arbeitstage als Bürgermeister von Altena. Über 20 Jahre, seit 1999, hatte er das Amt ausgefüllt. Die Herausforderungen waren früh erkannt – der Wegzug junger Menschen aus der Stadt, die damit einhergehende Überalterung: Um 43 Prozent sank die Einwohnerzahl Altenas zwischen 1975 und 2014. Hollstein‘s Ansatz dagegen: den Zusammenhalt in der Kommune stärken und dabei die Ressourcen nutzen, die die Stadt zur Verfügung hatte – die malerische Landschaft und die Burg, zugleich die erste Jugendherberge der Welt. Die durch Wegzug und Deindustrialisierung entstandenen Leerflächen. Und die Kraft der verbliebenen Einwohner. 2005 habe die Stadt eine entsprechende Entwicklungsstrategie aufgestellt, berichtet Hollstein, und zielgerichtet geschaut, wie man die eigenen Ressourcen durch Fördermittel von Land, Bund und EU aufstocken könnte. Eines der Projekte: das „Stellwerk“.

Das Stellwerk, ein ehemaliges Gebäude der Bahn, sollte zum Zentrum bürgerschaftlichen Engagements werden. „Unsere  Grundidee war es, mehr Gemeinschaftssinn zu erzeugen“, berichtet Anett Wesemann, die als Angestellte der Stadt speziell für die Unterstützung eben dieses bürgerschaftlichen Gedankens zuständig ist. Im Stellwerk wurden vor allem Büroarbeitsplätze und Meetingräume geschaffen. Das Kernteam, eine Steuerungsgruppe aus etwa zehn Bürgern, kümmert sich von hier aus um Angebote von Bürgern für Bürger: ein Repair-Café etwa, die Hilfe für Geflüchtete, Pflanzpaten für die Grünanlagen und seit jüngstem eine Tafel zur Verteilung von Lebensmitteln: „Wenn man Menschen für eine Idee entfacht, können in relativ kurzer Zeit viele Dinge entstehen“, hat Wesemann beobachtet. Ihre Rolle bestehe darin, genau diese Begeisterung von der Verwaltungsseite aus zu unterstützen, die Ideen der Bürger wertzuschätzen und Dinge zu ermöglichen: „Unser Ansatz ist: Wir finden einen Weg. Unser Ziel: möglichst unkompliziert denken.“ Dieser Ansatz machte das „Stellwerk“ zu einem Best-Practice-Beispiel im EU-Programm „Urbact“ – Altena wurde eingeladen, sein Konzept mit anderen Städten in Europa zu teilen.

Herausforderung Gebäudeleerstand

Solch eine Einladung ereilte auch Chemnitz. Hier war es die Idee der „Agentur Stadtwohnen“, die als besonders nachahmenswert empfunden wurde: Angesichts zahlreicher leer stehender Altbauten in Stadtvierteln wie dem Sonnenberg, Schlosschemnitz oder dem Brühl-Quartier hatte sich die Stadtverwaltung vorgenommen, das Problem gezielt anzugehen. Eine Koordinierungsstelle sollte die vakanten Gebäude zunächst katalogisieren, die Eigentümer kontaktieren, zum Nachdenken über neue Nutzungsmodelle anregen und über zur Verfügung stehende Fördermöglichkeiten informieren. 2011 wurde die Westsächsische Gesellschaft für Stadterneuerung (WGS) mit diesen Aufgaben betraut, die sich seitdem um mehr als 100 Gebäude in den besonders betroffenen Stadtteilen kümmert(e). „Für Chemnitz ist das eine wichtige Entwicklung“, sagt Grit Stillger, Abteilungsleiterin Stadterneuerung im Chemnitzer Stadtplanungsamt: „Die betrachteten Gebäude sind prägend für das Stadtbild, aber auch für das Stimmungsbild in Chemnitz. Weil sie viel von der vergangenen Entwicklung der Stadt erzählen, stehen sie für viele Bewohner auch sinnbildlich für die künftige Entwicklung der Stadt.“ Umso besser also, wenn sie von Menschen erzählen, die in der Stadt ihre Zukunft sehen – oder Chemnitz so viel Zukunft zutrauen, dass sich ein Investment in Steine lohnt.  

Das strukturierte Vorgehen der WGS zeitigte einige Erfolge: Dutzende der beobachteten Häuser sind heute vollständig renoviert und werden neu genutzt oder sie finden sich im Renovierungsprozess. Der Gedanke, auch Europa davon zu erzählen, lag nahe: „Letztlich hat die WGS vorgeschlagen, das Modell der Agentur Stadtwohnen für das Urbact-Programm der EU vorzuschlagen“, so Grit Stillger. Hier wurde es als Good Practice gewürdigt und Chemnitz durfte als Lead-Partner ein europäisches Städtenetz formen – mit sechs anderen Kommunen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen, darunter der lettischen Hauptstadt Riga oder der früheren Olympiastadt Turin.

Weitergeben und selbst lernen

In den vergangenen zwei Jahren erkundeten die Partnerstädte in mehreren Seminaren, bei Stadterkundungen und im Zusammenspiel mit lokalen Akteuren, wie sie ihre eigene „Agentur Stadtwohnen“, zugeschnitten auf lokale Immobilienmärkte, aber auch unterschiedliche Verwaltungsstrukturen oder Steuersysteme, errichten könnten. Für Chemnitz als Lead Partner gestaltete sich die Netzwerkarbeit anders: „Einerseits haben wir die Partnerstädte so ausgesucht, dass wir auch von ihren Projekten zum Umgang mit Altbauten etwas lernen konnten“, berichtet Frank Feuerbach, der als Mitarbeiter der Stadtverwaltung die lokale Urbact-Arbeit koordinierte: „Und andererseits konnten wir diskutieren, ob es in unserer Arbeit Weiterentwicklungsbedarf gibt.“ Dabei sei man durchaus ergebnisoffen vorgegangen: Braucht es die Agentur Stadtwohnen überhaupt noch? Sollte sie sich auf andere Stadtteile fokussieren, ihre Arbeit auf andere Immobilienarten – beispielsweise Industriebrachen – ausweiten? All dies wurde diskutiert, immer auch auf Basis der Erfahrungen in den Partnerstädten: „Für mich war beispielsweise inspirierend, wie kontinuierlich Riga am Thema Zwischennutzung ungenutzter Immobilien arbeitet“, berichtet Feuerbach.

Für Grit Stillger hingegen war die Arbeit in der Chemnitzer Urbact-Gruppe besonders wichtig: „Wir haben hier den Kreis der Akteure und damit auch den der Ideengeber erhöht.“ Neben unterschiedlichsten Abteilungen der Stadtverwaltung und neben der WGS waren auch Eigentümer und Selbstnutzer, also zum Beispiel kleine Wohngenossenschaften – mit an Bord. „Das erweitert unser Netzwerk, in dem wir uns mit Stadtentwicklung auseinandersetzen“, hat sie festgestellt. Insgesamt sei Urbact deshalb ein guter Input, nicht nur, weil er europäisches Geld nach Chemnitz spült: „Unser Know-how zu teilen, führt sofort auch dazu, dass wir unser Know-how reflektieren, um weiterzukommen.“

Austausch und Internationalität

Genau diesen Austausch schätzt man auch in Altena, wo man inzwischen an mehreren europäischen Projekten teilgenommen hat. „Man lernt in jeder Netzwerkstadt etwas Besonderes kennen, was man für die eigene Stadt weiterdenken, weiterentwickeln kann“, hat Andreas Hollstein festgestellt: Er lernte im österreichischen Graz vor Jahren die Idee des „Erlebnisaufzugs“ kennen – heute gibt es einen solchen touristischen Anziehungspunkt auch in Altena, von der Altstadt hinauf zur Burg: „Wir haben hier etwas Handfestes gelernt – und das dann auch umgesetzt.“ Darüber hinaus seien die europäischen Projekte aber auch ein Mittel, die Stadtverwaltung als Arbeitgeber weiterzuentwickeln: „Unsere jungen Mitarbeiter lernen andere Arbeitsformen, andere Strukturen und Ansätze kennen und erleben auf diese Weise auch eine Internationalität, die unsere Arbeitgeberattraktivität erhöht“, so der langjährige Bürgermeister.

Im aktuellen Urbact-Projekt zur Neunutzung leerstehender Ladenflächen will Altena gemeinsam mit seinen Städtepartnern noch einen europäischen Markt veranstalten, wenn Corona es irgendwann zulässt – die Idee eines lokalen Händlers und Ladenbauers.  Urbact-Koordinatorin Anett Wesemann hat die Idee gern aufgegriffen: „Das gibt unserer Innenstadt ein Stück Attraktivität – und die Bürger merken, dass man nicht nur in Europa herumreist, sondern für sie auch etwas dabei herauskommt“, sagt sie.