You are here

Small Scale Actions: URBACT-Pilotaktionen helfen Städten dabei, mit neuen Ansätzen zu experimentieren

Edited on

25 January 2022
Read time: 5 minutes

Von Bürger:innenversammlungen bis hin zu grünen Stadtspaziergängen – Pilotaktionen können die Stadtpolitik in der gesamten EU verbessern.

Small Scale Actions (SSA) haben den URBACT-Netzwerken eine neue Dynamik verliehen. Mit der Unterstützung von EU-Partner:innen und URBACT-Expert:innen haben mehrere Städte solche Pilotaktionen zur Erprobung lokaler Lösungen durchgeführt, die es ermöglichen, das Risiko des Scheiterns für künftige großangelegte Maßnahmen zu verringern. Dabei werden die lokalen Akteur:innen in gemeinsame Handlungs- und Planungsprozesse einbezogen, um städtische Herausforderungen zu bewältigen. URBACT-Programmexpertin Sally Kneeshaw berichtet.

In der jüngsten Runde der 23 URBACT Aktionsplanungsnetzwerke, die 2019 ins Leben gerufen wurde, wurden die sogenannten Small Scale Actions eingeführt. Erstmalig erhielten die Partnerstädte ein Budget von jeweils 10.000 Euro für kleine Pilotaktionen im Rahmen ihrer integrierten Handlungskonzepte. Alle Partnerstädte erarbeiten im Rahmen der URBACT-Förderung ein solches Handlungskonzept, um Maßnahmen zur Lösung bestimmter städtischer Probleme zu entwickeln und aufeinander abzustimmen. Die Themenvielfalt reicht dabei von der Digitalisierung bis hin zur Abfallwirtschaft.

Die SSA wurden als Reaktion auf die Anfragen voriger Netzwerke eingeführt. Diese baten um Mittel um bestimmte Maßnahmen zu testen, bevor entschieden wird, diese in die endgültige Planung zu integrieren. URBACT definiert die SSA als Experimente. Es handelt sich dabei um Ideen oder Konzepte, die möglicherweise bereits in anderen Städten erprobt wurden, die auf Relevanz, Durchführbarkeit und Mehrwert ihrer Umsetzung in verschiedenen lokalen Kontexten überprüft werden sollen. SSA sind zeitlich, maßstäblich und räumlich begrenzt und müssen nicht zwingend von Erfolg gekrönt sein.

Scheitern wagen

Experimente bergen immer die Gefahr des Scheiterns in sich, jedoch auch die Chance, aus dem Scheitern zu lernen. Für viele Städte ist dies ein neuer Ansatz in der Entwicklung kommunaler Strategien. Die SSA sind somit eine Möglichkeit für öffentliche Verwaltungen, agilere Handlungsweisen zu übernehmen, Methoden aus anderen Sektoren wie Design und Technologie zu adaptieren und Ideen für nachhaltige Veränderungen zu testen, bevor sie in langfristige Handlungskonzepte einfließen. Dadurch können Städte besser und schneller planen und bauen, bewährte Maßnahmen auf ihren Kontext übertragen sowie nachweisen, dass Projekte eingestellt werden sollten, die ansonsten weiterhin öffentliche Mittel verschwenden.

Partnerstädte stellen sich der SSA-Herausforderung

Laut der jüngsten URBACT-Umfrage haben sich 85 Prozent der Städte in den URBACT-Netzwerken das Ziel gesetzt, im Laufe des Jahres 2021 mindestens eine Small Scale Action zu testen. Da die Handlungskonzepte bis Juni 2022 fertiggestellt werden sollen, haben wir untersucht, wie die neuen SSA in der Praxis funktioniert haben. Haben sie den städtischen Raum, die Governance-Prozesse oder das Leben der Bürger:innen verbessert? Was können wir als Programm daraus lernen?

Angesichts der großen Vielfalt städtischer Herausforderungen, mit denen sich die URBACT-Netzwerke befassen – von der Kreislaufwirtschaft über nachhaltigen Tourismus bis hin zum Stadtmarketing – ergaben sich sehr unterschiedliche Ansätze für die SSA. Die meisten Netzwerke haben sich darauf konzentriert, herauszufinden, welche Maßnahmen für sie bezüglich ihrer Prioritäten und Wissenslücken am nützlichsten wären. Veranstaltungen, Informationskampagnen, neue Instrumente und Methoden für die Umsetzung sowie kleinere Infrastrukturmaßnahmen waren die beliebtesten SSA.

Entwicklung kleiner Lösungsansätze

Im Folgenden stellen wir einige der zahlreichen lokalen Lösungen vor, die von URBACT-Städten im vergangenen Jahr in 27 verschiedenen Ländern erprobt wurden und nun in größerem Maßstab umgesetzt werden können.

KULTURELLE INKLUSION

Um die Inklusion in Stadtvierteln mit wenigen kulturellen und gemeinschaftlichen Aktivitäten zu verbessern, wurden in Vilnius (LT) neue Maßnahmen getestet. Die Stadt bot den Bürger:innen in verschiedenen Stadtvierteln unterschiedliche Veranstaltungs- und Interaktionsformate an, beispielsweise musikalische Picknicks, Freiluftbibliotheken, Geschichtsräume und „Tea & Chats“ nach dem Vorbild Dublins (IE). Parallel dazu hat die Stadt Sofia (BG) eine Informationskampagne für Kulturangebote für 11- bis 16-jährige Schüler:innen getestet, da diese Gruppe nachweislich wenig Zugang zu solchen Angeboten hat. Für die Umsetzung wurde eine Umfrage unter Schüler:innen durchgeführt, Lehrer:innen Schulungen angeboten und eine Zusammenarbeit mit einem bekannten Blogger angestoßen, um die Schüler:innen zielgruppengerecht anzusprechen.

↗ weiterführende Informationen zum ACCESS Netzwerk

 

RE-USE und RECYCLING

In unseren umweltorientierten Netzwerken wurden Reparatur- und Wiederverwendungsmaßnahmen, bürgerschaftliches Engagement und Bewusstseinsbildung untersucht. Im Rahmen eines Projekts zum Textilkreislauf wurde erprobt, wie sich Leasing-bzw. Mietmodelle für Modeunternehmen umsetzen lassen. So wurde ein Geschäftsmodell für die belgische Stadt Mechelen entwickelt. Der dritte Bezirk von Bukarest (RO) hat in diesem Zusammenhang eine Kompostieranlage getestet.

↗ weiterführende Informationen zum Resourceful Cities Netzwerk

 

NEUE WOHNLÖSUNGEN

Im Zusammenhang mit Wohnungslosigkeit haben die Partnerstädte des Roof Netzwerks untersucht, wie ein „Housing First“-Ansatz umgesetzt werden kann. In Gent (BE) wurde eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Trägerorganisationen erprobt, indem ein koordinierter Ansatz mit drei Betroffenen umgesetzt wurde. Die französische Stadt Toulouse hat es mithilfe einer Kampagne geschafft, Angebote von privaten Vermieter:innen auf einer einzigen Plattform zu bündeln und so das Angebot erschwinglicher Privatwohnungen zugänglicher gemacht. Der Erfolg der Maßnahme hat gezeigt, dass das Konzept auf die gesamte Metropolregion ausgeweitet werden kann.

↗ weiterführende Informationen zum ROOF Netzwerk

 

SMARTE SENSORTECHNOLOGIEN

In mehreren Städten wurden neue Sensortechnologien getestet, beispielsweise zur Echtzeitanalyse städtischer Luftqualitätsdaten in Raslog (BG) und zur Übermittlung der Wassertemperatur in den örtlichen Badeseen in Ange (SE). Dabei wurden praktische Erkenntnisse gesammelt, zum Beispiel dazu wie die Beschädigung von Sensoren bei der Müllentsorgung vermieden werden kann. Durch dieses Experiment ist es nun einfacher, die Kosten für die Aufstockung des Systems zu berechnen. Lead Experte Eurico Neves sagte, die SSA seien vermutlich so erfolgreich, weil es sich um ein technikorientiertes Projekt handele und es einfach sei, kleine Lösungen für eine Reihe von Sensoren zu konzipieren, die später erweitert werden können. Alle Städte im Netzwerk seien inzwischen bei der Ausarbeitung integrierter Handlungskonzepte weit fortgeschritten und planen derzeit die Ausweitung der SSA als Teil dieser Pläne.

↗ weiterführende Informationen zum IoTXchange Netzwerk

 

MENSCHENFREUNDLICHE ÖFFENTLICHE RÄUME

Small Scale Actions leisten einen wichtigen Beitrag bei der Einbindung unterschiedlicher Interessengruppen, wenn sie als „Place-Making“-Methode genutzt werden. Die konkreten städtebaulichen Veränderungen, wie beispielsweise die Öffnung von Verkehrsstraßen für Fußgänger:innen, führten zu einer Mischung aus positiven, negativen und teils unerwarteten Reaktionen. Unter anderem führten sie zu der Erkenntnis, dass zukünftig mehr Kommunikation erforderlich ist, zum Beispiel mit betroffenen Ladenbesitzer:innen. Die Maßnahmen werden auf der Grundlage dieser Erkenntnisse angepasst.

↗ weiterführende Informationen zum Thriving Streets Network

Die kroatische Stadt Dubrovnik hat sehr ambitioniert eine neue Route zur Beförderung von Tourist:innen und Einwohner:innen getestet. Eine andere Stadt verfolgte einen offenen Ansatz und ließ Besucher:innen mit eingeschränkter Mobilität die Barrierefreiheit der Stadt bewerten, um daraus Maßnahmen zur Verbesserung abzuleiten.

↗ weiterführende Informationen zum TOURISM-FRIENDLY CITIES Netzwerk

Herausforderungen und gewonnene Erkenntnisse

Die kurze Zeitspanne, die diesen Testläufen vor Ort innerhalb jedes URBACT-Netzwerkes zugewiesen wurde, sowie die Formalitäten der Auftragsvergabe machten es für einige Städte schwierig, ihre Aktionen wie geplant zu starten. Außerdem stellten einige Städte fest, dass sie durch die Durchführung von Pilotaktionen weniger Zeit für die Erstellung integrierter Handlungskonzepte hatten.

Dennoch gelang es den Akteur:innen bei der Umsetzung der SSA in vielen Städten, lokale Arbeitsgruppen (URBACT Local Group – ULG) zu beteiligen und so das Engagement der lokalen Akteur:innen zu stärken. Sie boten eine einzigartige Gelegenheit über Diskussionen und Planung hinauszugehen und für die Beteiligten konkrete, greifbare Veränderungen zu schaffen.

Nächste Schritte

Auf lokaler Ebene bringen die Partnerstädte nun die in den Experimenten erworbenen Erkenntnisse in die weiteren Planungsprozesse ein. Auf Programmebene führt URBACT ein Monitoring der Städte durch, um Erkenntnisse zu erlangen, wie die SSA-Begleitung zukünftig weiterentwickelt werden kann. Die große Mehrheit der befragten URBACT-Partnerstädte scheint davon überzeugt zu sein, dass kleine Pilotaktionen ein hilfreiches Instrument beim Erstellungsprozess integrierter Handlungskonzepte sind.

Liat Rogel, Lead Expertin des ROOF Netzwerkes sagte, die Small Scale Actions helfen den Städten dabei, effektivere Handlungskonzepte zu erstellen, unabhängig davon, ob sie scheitern oder erfolgreich seien. Ihre wahre Stärke liege in der Möglichkeit, die eigenen Erfahrungen und die der anderen Netzwerkpartner:innen auf den eigenen Kontext zu übertragen und gegebenenfalls anzupassen.

Laut Adele Bucella, Leiterin für Projekt- und Programmplanung bei URBACT, führen die SSA in vielen Fällen zu einer neuen Dynamik, die fortgesetzt und in die künftige Planung und Umsetzung eingebettet werden sollte. Die Städte haben Ideen voneinander übernommen und gemeinsam gelernt, beispielsweise wie die Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteur:innen gestaltet werden könne. Die Erprobung vor Ort entschärfe die Risiken der geplanten Maßnahmen und mache sie investitionsfähiger. In der nächsten Phase des Prozesses müsse URBACT sicherstellen, dass die Erkenntnisse aus den SSA in alle integrierte Handlungskonzepte einfließen können.

Der Artikel basiert auf dem aus dem Englischen übersetzten Artikel „Small Scale Actions: an URBACT innovation helping cities experiment local solutions“ von Sally Kneeshaw. Übersetzung von Maximiliane Elspaß.