Plädoyer für einen europäischen Fonds, der Kommunen bei der Aufnahme von Flüchtlingen unterstützt
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07 August 2018Können Städte der Raum für eine neue transnationale Solidarität in Europa werden? In diesem Interview, das European Alternatives mit Gesine Schwan geführt hat, schlägt die Politikerin und Professorin einen europäischen Fonds vor, der Kommunen dabei unterstützt, Flüchtlinge willkommen zu heißen. Dieser Artikel ist ein Auszug aus einem längeren Text, der am 21. Juni 2018 auf Politicalcritique.org veröffentlicht wurde.
Frau Schwan, Sie haben einen sehr konkreten Vorschlag gemacht, wie man eine Herausforderung auf europäischer Ebene, nämlich die Aufnahme von Flüchtlingen, mit einer lokalen Dimension in den Kommunen verbinden kann. Können Sie uns darüber mehr erzählen?
Gesine Schwan: Es war sehr erschreckend, die fehlende Solidarität zu beobachten, die sich beim Willkommen-heißen der Geflüchteten gezeigt hat. Damit meine ich nicht nur die fehlende Solidarität mit den Flüchtlingen, sondern auch zwischen den Nationalstaaten, die aus Mechanismen und Dynamiken resultiert, die Politiker davon abgehalten haben, Lösungen zu finden. Deshalb habe ich vorgeschlagen, einen europäischen Fonds zu initiieren, von dem Städte profitieren, die Geflüchtete aufnehmen. Der Fonds wäre eine Möglichkeit, Integration zu finanzieren, aber er böte ihnen auch zusätzliche Mittel für die eigene Entwicklung. Heute bemerken wir einen negativen Wettbewerb zwischen den Ärmsten und Wohnungslosen in den Städten und den Armen, die neu ankommen. Wir brauchen Investitionen ohne Korruption. Deshalb sehe ich eine Möglichkeit, Kommunen zu stärken darin, dass sie Akteursgruppen bilden, die dann die Zivilgesellschaft organisieren. Letztere ist ja auf städtischer Ebene sowieso schon sehr organisiert und engagiert. Diese Gruppen könnten dann Strategien für die Stadtentwicklung entwerfen, kombiniert mit Strategien für die Integration von Flüchtlingen. Sie wären die Zielgruppe, an die sich der neue europäische Fonds richtet und die sich bewerben kann.
Dieses Modell würde auch eine größere Mitbeteiligung der Bürger bedeuten, die sich in den Arbeitsgruppen bzw. Komitees engagieren. Gleichzeitig wäre das eine ganz direkte Teilhabe an der Europäischen Union, die ja schon sehr viel Geld für die Kohäsionsfonds ausgibt – auch wenn die Menschen das nicht so wahrnehmen, eben weil sie in die Entscheidungsprozesse nicht einbezogen sind. Würde man diese Gelder direkt an die Kommunen geben, würden die Menschen vielleicht sehen, dass sie die Möglichkeit haben, ihre Städte mitzugestalten und dass sie das mit Partizipation erreichen können.
Was auch klar ist: Wir haben keine Netzwerke für Städte und Ortschaften, in denen sie ihre Erfahrungen mit der Integration von Flüchtlingen austauschen können. Während des Prozesses der Integration erlangen die Kommunen Informationen aus erster Hand – zum Beispiel über afrikanische Gemeinschaften, die vor Kriegen fliehen. In dieser Hinsicht sind Initiativen in der Lage, die lokale mit der globalen Ebene zu verbinden, wobei sie Erfahrungen und Fachwissen verbinden. Das wäre sehr hilfreich.
In Spanien haben wir große Transparente mit „Refugees welcome“ an den Rathäusern von Madrid oder Barcelona hängen, aber keine dieser Städte kann Flüchtlinge willkommen heißen, weil die nationalen Regierungen das Verteilungsschema ablehnen, auf das sich die EU in der Theorie geeinigt hat. Müssen wir vielleicht mehr Kreativität an den Tag legen, wenn es darum geht, die Kompetenzen in der EU umzuformulieren?
Ja, exakt, wenn Sie sagen „kreativ“, ist es genau das, was ich von den Städten erwarte. Aus einer rein rechtlichen Sicht ist es heute so, dass die nationalen Regierungen entscheiden müssen, ob Flüchtlingen ins Land kommen dürfen oder nicht. Wir müssen die Mitgliedstaaten unter politischen Druck setzen, damit sie einige dieser Kompetenzen an die Stadtverwaltungen abgeben oder damit sie den Kommunen zumindest erlauben, Flüchtlinge freiwillig aufzunehmen. Das würde auch den nationalen Regierungen helfen: Momentan möchten sie keine Flüchtlinge aufnehmen, sie haben Angst davor, aber wenn sie den Kommunen erlauben würden, frei zu entscheiden, würde das eine Art der Unterstützung generieren, die langfristig auch auf nationaler Ebene funktionieren würde.
Sehen Sie sich das ganze Interview mit Gesine Schwan an.
URBACT hat eine Reihe von Städten unterstützt, die Neuankömmlinge willkommen heißen, darunter das Netzwerk Arrival Cities und ausgewählte „Good Practice“-Beispiele aus ganz Europa, so z. B. Refugee Solidarity in Ghent (BE), Do Not Feed the Rumour in Amadora (PT), Local Group on Immigration in Avilés (ES), Widespread Hospitality in Forli (IT) und Finding Places in Hamburg (DE).
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