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Kreislaufwirtschaft: nur ein Trendthema oder die Zukunft unserer Städte?

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02 February 2017
Read time: 4 minutes

In Zeiten knapper Ressourcen befürchten viele Kommunen, dass das Konzept der Kreislaufwirtschaft nur ein weiterer Trend der Stadtentwicklung ist. Dennoch ist der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft eine Notwendigkeit und Chance zugleich, um langfristig stabile wirtschaftliche, soziale und umwelttechnische Vorteile zu schaffen. Was aber bedeutet Kreislaufwirtschaft? Wie können Städte und Kommunen den Übergang gestalten? Und wo sollten sie beginnen? Damit beschäftigt sich der Artikel von Ania Rok.

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Der folgenden Artikel basiert auf einem gemeinsamen politischen Empfehlungsschreiben („Pathways to a circular economy in cities and regions”) von ESPON, Interact, Interreg Europe und URBACT, das während der Europäischen Woche der Städte und Regionen 2016 vorgestellt wurde.

Von der Linearwirtschaft zur Kreislaufwirtschaft

Das herkömmliche Verständnis von Wirtschaft basiert auf einem linearen Modell: natürliche Ressourcen werden gefördert und zu Produkten verarbeitet. Der Konsument kauft diese Produkte und nutzt sie. Sind sie abgenutzt, oder er braucht sie nicht mehr, entsorgt der Käufer die Produkte. Dieses Modell verkennt die hohen ökonomischen, umwelttechnischen und sozialen Kosten, die mit der Förderung, Verarbeitung und Entsorgung von Rohstoffen entstehen und ist daher als langfristig nicht nachhaltig einzustufen.

Die Idee der Kreislaufwirtschaft bietet ein Alternativmodell: Sie erhält den Wert von Produkten, Materialien und Ressourcen so lange wie möglich und trägt zur starken Verminderung oder Vermeidung von Müll bei. Mit einem Fokus auf “closing the loops”, also einer kompletten Wiederverwendung von Verbraucherabfall, bietet die Kreislaufwirtschaft eine Antwort auf die Begrenztheit natürlicher Rohstoffe. Der Übergang zu dieser Wirtschaftsform beeinflusst zahlreiche Bereiche, von Mobilität, Landwirtschaft, Landnutzung und Abfallbehandlung über wirtschaftliche Entwicklung hin zu Konsumentenberatung. Zudem betrifft sie Akteure aller Sektoren und auf allen Verwaltungsebenen. Eine Kreislaufwirtschaft kann nicht durch einzelne Institutionen oder Unternehmen umgesetzt werden. Vielmehr nötigt das Modell allen Beteiligten einen Kooperations - und Kommunikationsprozess ab und schafft übergreifende Verknüpfungen von einzelnen Akteuren und Sektoren.
 
Was sind die Vorteile?
 
In Zeiten schwindender Ressourcen müssen wir uns bewusst machen, das „ business as usual" und eine auf dem Linearmodell aufbauende Wirtschaft keine zukunftsfähigen Optionen und auf lange Sicht nicht haltbar sind. Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft ist daher unumgänglich und bietet, wie jede Krise, gleichzeitig die Möglichkeit längerfristiger wirtschaftlicher, sozialer und umwelttechnischer Vorteile.
 
Die EEA Studie “Circular economy in Europe” von 2016 identifizierte die folgenden Vorteile beim Umstieg auf die Kreislaufwirtschaft:

  • Verbesserte Ressourcensicherheit und sinkende Abhängigkeiten von Importen dank niedrigerem Rohstoffbedarf
  • Reduzierte Umweltauswirkungen einschließlich einer drastischen Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen
  • Ökonomische Vorteile: neue Möglichkeiten für Wachstum und Innovation sowie Einsparungen aufgrund höherer Ressourceneffizienz
  • Soziale Vorteile, zum Beispiel Schaffung neuer Arbeitsplätze für alle Kompetenzniveaus und Veränderungen im Konsumentenverhalten

 Kreislaufwirtschaft im Rahmen der städtischen Agenda der EU
 
Das Potential der Kreislaufwirtschaft wird von einer wachsenden Zahl europäischer Länder und Regionen sowie den europäischen Institutionen anerkannt. Im Dezember 2015 verabschiedete die Europäische Kommission das "Circular Economy Package", mit dem Ziel, globale Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltiges ökonomisches Wachstum sowie die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu fördern. Das Paket beinhaltet Elemente einer neuen und überarbeiteten Gesetzgebung mit einem Fokus auf Müllvermeidung und Management, einer klaren Zeitplanung für Aktivitäten sowie entsprechende Finanzierungszusagen. Das Paket zur Kreislaufwirtschaft benennt fünf Prioritätsgebiete, auf die in gezielter Weise eingegangen werden muss: Lebensmittelabfälle, kritische Rohstoffe, Abfälle aus dem Bauwesen sowie Biomasse und bio-basierte Produkte.

Die Kreislaufwirtschaft ist gleichzeitig eines der Themen der Partnerschaften der Urbanen Agenda für die EU. Dies ist eine der vier neuen Partnerschaften, die im Oktober 2016 durch die Mitgliedstaaten lanciert. Unter der Koordination der Stadt Oslo (Norwegen) und unter Beteiligung der Mitgliedstaaten, Städte, NGOs und anderen wichtigen Stakeholder wird die Partnerschaft voraussichtlich im Januar 2017 starten. Als eines der zwölf Themen des Pakts von Amsterdam ist die Kreislaufwirtschaft mit Abfallbehandlung und Ressourceneffizienz eng verknüpft. Mit der Erarbeitung eines Aktionsplanes zielt die Partnerschaft auf eine bessere Regulation, bessere finanzielle Förderung und bessere Wissensvermittlung ab. Im Ergebnis soll die Wiederverwendung, Reparatur, Sanierung oder das Recycling existierender Materialien und Produkte gesteigert werden um neue Wachstumsmöglichkeiten und Arbeitsplatzchancen aufzuzeigen.
 
Soziale Innovation für Kreislaufwirtschaft

Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft fordert sowohl soziale als auch technologische Innovation. Der URBACT-Bericht “Social Innovation in Cities” definiert soziale Innovation als „innovative Lösungen, neue Formen von Organisationen und Interaktion zur Beseitigung sozialer Probleme“ mit einem Fokus auf „Innovative Lösungen auf dem Feld der Verwaltung und Leitung von Städten: neue Formen der Zusammenarbeit zwischen der Stadtverwaltung, Bürgern und lokalen Akteuren die ein nachhaltigeres, resistenteres und offeneres System auf der kommunalen Ebene etablieren“.

Unter der Voraussetzung einer gemeinsamen und integrierten Anwendung kann die Kreislaufwirtschaft den sozialen Zusammenhalt und die lokale und regionale Wirtschaft stärken. Gute Beispiel hierfür finden sich im Weißbuch zur Kreislaufwirtschaft für den Großraum Paris. Paris zeigt darin auf, wie es daran arbeitet, sein soziales Innovationssystems als Teil des URBACT-Netzwerkes BoostInno zu vergrößern.
 
Die Lebenszyklus-Perspektive
 
Die Umwandlung von einer Linearwirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft fordert neue Geschäftsmodelle, neue Arten des Konsumentenverhaltens und neue Lösungen zur Abfallumwandlung in Ressourcen. Das folgende Diagramm illustriert die Schlüsselmomente des Produktlebenszyklus, auf die beim Entwurf neuer kreislaufbasierter Modelle Rücksicht genommen werden muss.
 

Es ist wichtig, sich die mögliche Bedeutung lokaler und regionaler Behörden bei jedem dieser Schritte zu vergegenwärtigen:

  • Bei der Phase des Produktdesigns können lokale und regionale Behörden mit gutem Beispiel voran gehen, indem sie ressourceneffiziente und langlebige Produkte und Lösungen in Auftrag geben, die einfach repariert, ergänzt oder wieder verwendet bzw. recycelt werden können. Das unterstützt den Markt bei der Entwicklung solcher Lösungen und macht sie für andere Akteure nicht nur zugänglicher sondern gleichzeitig erschwinglicher.
  • Auf der Ebene der Produktion können Städte und Regionen mit anderen Stakeholdern zusammenarbeiten, um eine nachhaltige Beschaffung von Rohstoffen und verschiedene Arten der Ressourcenzirkulation zu fördern, wie industrielle Symbiose, chemisches Leasing oder Remanufacturing.
  • Auch die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sind gut positioniert, um die Konsummuster von Haushalten, Unternehmen und Organisationen aktiv zu beeinflussen. Dazu gehören unter anderem Bildungs- und Sensibilisierungskampagnen, die Förderung von Sharing-Economy- Ansätzen sowie die Förderung von Wiederverwendung und Reparatur.
  • Schließlich sind Abfallsammlung und Recycling zwei der Aufgaben, die am häufigsten mit der kommunalen Ebene verbunden werden. Eine verbesserte Abfallsammlung kann ein erster Schritt zu einer Kreislaufwirtschaft sein, viele Städte und Regionen streben aber auch eine erweiterte Produzentenverantwortung oder qualitativ hochwertige Recycling- und biologische Abfallbehandlung (z. B. Bioveredelung, Kompostierung oder Gärung) an.


Wie können lokale und regionale Gebietskörperschaften die Kreislaufwirtschaft fördern?
 
Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften spielen eine wichtige Rolle wenn es darum geht, den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zu initiieren und zu beschleunigen, sei es, indem sie beispielhaft vorangehen, klare Rahmenbedingungen festlegen oder die lokalen und regionalen Stakeholder direkt unterstützten:

  • Als Konsumenten können die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften Erwägungen zur Kreislaufwirtschaft in ihre Kaufentscheidungen aufnehmen, indem sie „grüne Kriterien“ für die öffentliche Auftragsvergabe und Mechanismen wie die vorkommerzielle Beschaffung nutzen. In der Praxis bedeutet dies, dass alle Kosten im Zusammenhang mit dem gesamten Lebenszyklus des Produkts einschließlich der Kriterien für Wartung, Recycling und nachhaltige Beschaffung von Rohstoffen bewertet werden.
  • Städte und Regionen sollten ihr Engagement für eine Kreislaufwirtschaft in relevante strategische Dokumente integrieren, in denen lokale Prioritäten, geplante Maßnahmen und Unterstützungsformen festgelegt werden. Dies vermittelt ein klares Signal an die lokalen und regionalen Akteure, damit sie ihre Aktivitäten langfristig planen können. Die Dokumente können regionale operationelle Programme der EU, langfristige Entwicklungspläne, Umweltstrategien sowie andere thematische oder sektorale Strategien umfassen (z. B. Abfallmanagement oder industrielle Entwicklungspläne).
  • Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften können die relevanten Akteure durch gezielte Finanzierung, den Zugang zu Wissen und Informationen sowie Vernetzungschancen unterstützen. Die finanzielle Unterstützung einer Kreislaufwirtschaft kann verschiedene Formen wie Zuschüsse, Darlehen, Steueranreize oder Investitionsgarantien annehmen, welche entweder direkt vom öffentlichen Sektor oder über andere Akteure, z.B. Wirtschaftsverbände oder Wirtschaftsentwicklungsagenturen angeboten werden. Durch die gemeinsame Nutzung von Wissen, die Organisation von Veranstaltungen oder die Einrichtung von Austauschplattformen können Städte und Regionen Aktivitäten anderer lokaler und regionaler Akteure wie Unternehmen und öffentliche Versorgungsbetriebe, Universitäten und Forschungszentren, zivilgesellschaftlichen Organisationen oder Basisprogramme initiieren und forcieren.

Ein gutes Beispiel für die Einbindung lokaler Stakeholder ist die Good Food Brussels Plattform, die Initiativen über die gesamte Nahrungskette miteinander verbindet, ihre Sichtbarkeit erhöht und die Zusammenarbeit fördert. Mit dem Ziel, die lokale Nahrungsmittelproduktion zu erhöhen und Lebensmittelabfälle zu reduzieren, baut die Good-Food-Plattform auf den Ergebnissen des URBACT Netzwerks "Sustainable Food in Urban Communities" auf, in dem die Region Brüssel-Hauptstadt als Lead Partner fungierte.
 
 
 

Der Weg nach vorn
 
Städte und Regionen sind in einer einzigartigen Position, um Europa auf eine zirkulärere Wirtschaft zu fokussieren und wirtschaftliche, ökologische und soziale Vorteile im Zusammenhang mit diesem Übergang zu nutzen. ESPON, Interact, Interreg Europa und URBACT fordern Städte und Regionen zum Handeln auf. Dabei sollten sie vier einfache Botschaften berücksichtigen:

1. Jeder kann es tun
Eine Kreiswirtschaft mag komplex erscheinen und der Fachjargon oder die Größe der erforderlichen Änderungen können einen schnell entmutigen, doch durch die Beteiligung der Stakeholder und das Lernen von anderen kann jede Stadt und Region in Europa auf eine Kreislaufwirtschaft hinarbeiten. Anstatt um die technisch fortschrittlichsten Lösungen zu konkurrieren, können Städte und Regionen mit unterschiedlichen Ansätzen an Ressourcen und ihrer Verwendung und Wiedergewinnung arbeiten.

2. Keine Notwendigkeit, das Rad neu erfinden
Während eine zirkuläre Wirtschaft auf den lokalen und regionalen Kontext zugeschnitten sein muss, gibt es eine breite Palette an bewährten Verfahren, die bereits verfügbar sind. Sie können an die lokalen Bedürfnisse und Ressourcen angepasst werden, sodass interessierte Städte und Regionen schnell vorankommen können.
 
3. Zusammenarbeit, nicht Wettbewerb
Eine Kreislaufwirtschaft baut auf Verbindungen, sei es zwischen geschäftlichen Akteuren, die in einer industriellen Zusammenarbeit verknüpft sind, oder zwischen Städten, die Wissen und Erfahrung austauschen. Der beste Weg in Richtung einer Kreislaufwirtschaft ist, sich jenen anzuschließen, die sich in die gleiche Richtung bewegen wollen oder schon ein paar Schritte voraus sind.

4. Die Programme der Europäischen Territorialen Zusammenarbeit helfen
Die Programme der Europäischen territorialen Zusammenarbeit umfassen verschiedene Dimensionen der Kreislaufwirtschaft, von Forschung und Innovation über regionale und ökonomische Entwicklung, Partizipation und soziale Innovation. Interessierte Städte und Regionen werden dazu eingeladen, Wissen, Finanzierung und Networking-Möglichkeiten der jeweiligen Programme zu nutzen.

Bildnachweis Titelfoto: Workshop “Pathways to a circular economy in European cities and regions”, Europäische Woche der Städte und Regionen 2016 (Quelle: EWRC/flickr.com, CC BY-NC-SA)