Sensoren machen keinen Sinn: „Smart Cities“ für Bürger
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05 October 2016Von Peter Ramsden. “Smart Cities stehen für den Höhepunkt einer Entwicklung welche lokale Grasswurzelbewegungen und Silicon-Valley Mentalität in sich vereint. Die Smart Cities – Idee verspricht, dass wir saubere, effiziente, nachhaltige und attraktive Städte bauen und gleichzeitig die wirtschaftliche Entwicklung steigern können. Entscheidungsträger hoffen, das Smart Cities den Ausgleich zwischen sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit schaffen. (Zit. n. Alanus Von Radecki, Smart Impact State of the Art November 2015)”
Gleichzeitig existiert eine Vielzahl von Problemen. Eine „Smart City“ zu sein hat sich unter europäischen Städten zu einer oft beanspruchter Auszeichnung entwickelt, die vielfach substanziell kaum begründet ist. Smart City wurde die nächste „große Idee“ ambitionierter Politiker um zu zeigen, wie attraktiv und modern ihre Stadt ist. „Smart“ ist das Adjektiv für alles geworden, ein Begriff der inzwischen so dehnbar ist das er Gefahr läuft, seine Bedeutung zu verlieren. Ursprünglich wurde „Smart Cities“ von großen Unternehmen wie IBM und Cisco geprägt, die auf der Suche nach neuen Märkten für ihr „Internet der Dinge“ waren.
Innerhalb der Kohäsionspolitik beschreibt der Terminus “smarte Spezialisierung” ein viel engeres Feld der technischen Innovation zur Förderung ökonomischen Entwicklung. Dies wird an der Europäischen Innovationspartnerschaft für Smart Cities und Nachbarschaften (the European Innovation Partnership on Smart Cities and Communities), einer Stakeholderplattform die 4000 öffentliche, private und sozialwirtschaftliche Akteure zusammenbringt, deutlich. Bisher heute ist die Verbindung von „smartem“ und wirtschaftlichem Wachstum jedoch nicht hinreichend belegt. Und ebenso wie der Clustertrend um das Jahr 2000, laufen Strategien zur „smarten Spezialisierung“ Gefahr, zu breit aufgestellt zu sein (Mangel an Spezialisierung), dem Trend zu folgen und nicht angemessen den Dienstleistungssektor zu berücksichtigen, welcher in den meisten europäischen Städten der größte Arbeitgeber ist.
Das neue Urbact Netzwerk SMARTImpact versucht, einige der Schwächen der Smart City Bewegung durch einen strikteren geographischen Fokus auf einzelne Distrikte und eine stärkere Bürgerbeteiligung zu beseitigen. Statt auf Technologien liegt der Fokus auf Verwaltungsmodellen, Investitions-Rahmenbedingungen und neue Formen öffentlich-privater Kooperation. Das bedeutet eine Bezugnahme auf die Tripel-/Vierfachhelix- Modelle, Nachhaltigkeitszyklen und Ansätze zur Energieplanung. Sie versuchen, den „Smart City Begriff mit Leben zu erfüllen“.
“Smart cities” und „smart districts“ in Europa
Existierende Modelle von “smart districts” in Europa stellen Berlins Adlershof oder TXL Gebiete dar, ebenso das Cleantech Cluster in Kopenhagen, die NDSM Werft in Amsterdam und Demola in Tampere. Die EU finanzierte bisher im Rahmen von Horizon 2020 große Leutturmprojekte wie:
· Triangulum – Nachhaltige Mobilität, Energie, Informations -und Kommunikationstechnik sowie neue Geschäftsfelder aufdecken; teilnehmende Städte sind Manchester, Eindhoven und Stavanger (Beobachter: Prag, Sabadell und Leipzig)
· Grow Smarter – Integration von Energie, Infrastruktur und Transportthemen in 12 Pilotprojekte; teilnehmende Städte sind Stockholm, Köln und Barcelona (Beobachter: Valetta, Suceava, Porto, Cork und Graz).
· Remourban – ein Regenerierungsmodell das Energie, Mobilität und Informations -und Kommunikationstechnik verbindet; teilnehmende Städte sind Valladolid, Nottingham, Telesis (Beobachter: Seraing und Miskolc)
· Sharing cities - Obwohl der Titel es vermuten lässt, hat dieses Projekt nichts mit “Sharing economy” zu tun. Stattdessen werden im Rahmen des Projektes bezahlbare, integrierte und kommerziell orientierte Smart City Lösungen mit einem hohen Marktpotential entwickelt; teilnehmende Städte sind London, Mailand und Lissabon (Beobachter: Bordeaux, Warschau und Burgos)
Jedes dieser Projekte wird Pilotmaßnahmen in den Lead- Städten der jeweiligen Konsortien durchführen.
Märkte, Organisation und Führung
Von Radecki identifiziert Herausforderungen aufgrund von Marktbarrieren, Organisation und Führung:
Marktbarrieren stellen ein Problem dar weil in komplexen Stakeholderkonstellationen das Finanzierungsmodell und die Erwirtschaftung von Profiten noch nicht ausreichend geklärt ist. Jedes Land hat seine spezielle Anreizlandschaft in Bezug auf Einspeisetarife sowie ungeklärte Fragen über die Kostenträgerschaft.
Infolgedessen versagen viele Geschäftsmodelle, nicht zuletzt weil externe Effekte nicht angemessen eingepreist werden und so nachhaltige Lösungen nicht nachhaltigen Geschäftspraktiken unterliegen. Lösungen leiden oft unter dem ‘wrong pocket’ Problem, bei dem der Investor nicht die Langzeiterträge abschöpfen kann. Systeme die von privaten Unternehmen entwickelt wurden mangelt zusätzlich es oft an Inter- Operabilität, da jeder Anbieter versucht, Kunden an seine „Lösungen“ zu binden. Zukünftige Lösungen werden wahrscheinlicher wie Android oder Apple sein, offener und transparenter und durch co-creation entwickelt.
Auf dem Organisationslevel muss die Denkweise holistisch und systemorientiert sein. Wo die meisten Unternehmen daran gewöhnt sind einzelne Produkte zu verkaufen, werden hier Systemlösungen benötigt. Es ist sehr wahrscheinlich, das „Ökosysteme“ von Business Technologien und Service wichtiger werden. Problematisch ist dabei, dass Unternehmen keine Systemintegratoren sind weil dies die Bedeutung individueller Produkte mindert. Der Schlüssel zum Systemwert besteht jedoch in der Beziehung und Interoperabilität zwischen verschiedenen Einheiten, weniger in den Einheiten selber, z.B. wollen wir das unsere Uhr mit dem Smart Phone und den Straßen- und Verkehrsbeleuchtungen zusammenarbeitet, nicht aber das alle Geräte zwangsläufig vom selben Hersteller stammen. Die Städte selbst bleiben im Inseldenken mit den dazugehörigen eindimensionalen Lösungen und Organisationsformen gefangen. Dieser Gemengelage kann man nur mit integrierten Ansätzen zur Lösung urbaner Probleme begegnen, jedoch fehlt Städten oft eine Agentur oder Abteilung, die diese Integrationsaufgabe übernehmen könnte.
Auf dem Führungslevel ist politische Führung entweder schwach oder nicht vorhanden. Ein smarter Distrikt benötigt längerfristiges Engagement und bedeutet gleichzeitig ein erhebliches Risiko, da viele Ansätze bisher noch nicht erprobt wurden. Ohne die Beteiligung der Städte können bei Aufbau eines Distrikts kaum Fortschritte erzielt werden. Es ist ebenso schwierig, eine ehrliche Partnerschaft zwischen den Städten und Unternehmen zu erzeugen. Das liegt unter anderem am Ausschreibungsrecht und der Furcht vor Abhängigkeiten, welche die co-production erschweren. Gleichzeitig bildet diese Art der Zusammenarbeit eine neue Schnittstelle welche sowohl von Kommunen als auch Unternehmen noch genauer definiert werden muss.
Von Radecki bezieht sich auf Bill Gates, wenn er argumentiert das der Privatsektor und insbesondere Unternehmen zunehmend nicht in der Lage sind mit komplexen Herausforderungen bei der Verwaltung von Gemeingütern umzugehen. Er bezog sich dabei auf den Klimawandel, aber andere wichtige Herausforderungen wie die Nutzung von Freiflächen, sauberer Luft oder Verkehr sind alle Konflikfelder des öffentlichen Raumes.
Von Radecki zitiert ebenso die Arbeit von Elinor Ostrom, welche sich neben den maritimen Ökosystemen und dem System Wald auch mit städtischer Governance, wie z.B. Überwachung beschäftigte. In diesem Bereich muss sich das komplexe Zusammenspiel von öffentlich und privat entwickeln wenn die Smart City mit smarten Distrikten erfolgreich sein soll.
Smart Impact hat einen großen Schritt getan, indem Technologien als gegebene Größen betrachtet werden und man sich stattdessen auf ihre Verwaltung und ihren Einsatz konzentriert. Die Rolle der Stadtverwaltung als Integrator öffentlicher Akteure muss entwickelt und erforscht werden, ebenso wer genau diese Rolle in alle drei Sektoren übernehmen kann und was die Integratorenrolle in der Praxis bedeutet. Die Bewährungsprobe wird sein, ob das Konzept der Smart Cities seinen begrenzten Fokus auf Wirtschaft und Umweltauswirkungen aufgeben kann um die Kernprobleme von Bürgern im Bereich sozialer Inklusion und Lebensqualität zu adressieren. Wir müssen Sensoren endlich einen Sinn gegen.
Bildquelle: Urbact
Peter Ramsden ist ein Vordenker und Aktivist auf dem Feld lokaler, städtischer und regionaler Wirtschaftsentwicklung. Er war unter anderem für die Europäische Kommission, in der Bewegung zu regionalen Entwicklungsagenturen, für den privaten und öffentlichen Sektor sowie in verschiedenen Think Tanks tätig und leitet momentan die Beratungsgesellschaft Freiss ltd. die sich auf soziale Innovation und Lokalentwicklung spezialisiert hat. Im URBACT Programm ist er als Pole Manager tätig und leitete im vergangenen Jahr ein Team, das über 50 gute Beispiele zu städtischen Politiken in der EU publizierte. Er ist außerdem Ko-Autor des Leitfadens für soziale Innovation in der Kohäsionspolitik und der Leitlinien für CLLD in Europa.
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