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Sechs Schritte für Städte und Kommunen zur Erstellung eines Integrierten Aktionsplans

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04 October 2016
Read time: 5 minutes

Integrierte Stadtentwicklung und partizipative Erstellung von Aktionsplänen stehen im Zentrum des URBACT Programms. Städte und Kommunen die an thematischen Netzwerken URBACTs beteiligt sind, müssen eine lokale URBACT Gruppe (ULG), bestehend aus verschiedenen lokalen Stakeholdern innerhalb und außerhalb der Gemeinde ins Leben rufen. In diesem Rahmen soll ein gemeinsamer lokaler Aktionsplan entwickelt werden, der Antworten auf lokale Probleme und Herausforderungen findet.

Vom 24. Bis 26. August 2016 fanden sich in der URBACT Sommeruniversität mehr als 380 Vertreter von 170 europäischen Mitgliedsstädten des URBACT Netzwerkes zusammen um die Erstellung integrierter städtische Policies, basierend auf dem „action-planning cycle“ zu erlernen:

Dieser Zyklus lässt sich auf jede Gemeinde (auch nicht-URBACT Mitglieder) anwenden die gewillt ist, einen integrierten Aktionsplan oder Masterplan zu einem bestimmten Thema in einem partizipativen und integrierten Verfahren (z.B. unter Berücksichtigung lokaler ökonomischer, sozialer und umweltpolitischer Herausforderungen) zu erarbeiten.

Die wichtigste Voraussetzung für diesen Prozess ist die Gründung einer Lokalgruppe aus Stakeholdern (NROs, Universitäten, Vertreter der Kommunen und Privatwirtschaft), die sich mit lokalen Problemen oder dem spezifischen Themas des Aktionsplans beschäftigen.

Wer in oder für eine Gemeinde arbeitet und Mitglied oder Koordinator einer Lokalgruppe zur ist sollte die folgenden sechs Schritte beachten, welche von URBACT für die Erstellung lokaler Aktionspläne erarbeitet wurden:

Schritt Eins:

Definition des Problems der Kommune um das Ziel des Aktionsplans besser zu bestimmen

Problemanalysen sind unerlässlich um sicherzustellen, dass die Lokalgruppe das richtige Problem bestimmt – eines das mit allen Beteiligten diskutiert und festgelegt wurde. Das mag sehr einfach klingen, resultiert aber aufgrund von unterschiedlichen Problemverständnissen in der Praxis oft in einen langen und herausfordernden Prozess. Geduld und intensive Kommunikation hier sind der Schlüssel zum Erfolg.

Eine gut etablierte Technik zum gemeinsamen Verständnis und zur Definition von Problemen sowie zur Erörterung ihrer Ursachen und Folgen ist der Problem Tree.

 

Wie funktioniert die Methode:

  1. Auflistung aller Probleme die in Verbindung zum Hauptthema (z.B. Jugendarbeitslosigkeit) auftauchen/einfallen. Probleme müssen sorgfältig identifiziert werden: sie sollten keine möglichen, vorstellbaren oder zukünftigen sondern gegenwärtig existierende Probleme darstellen. Das Problem ist eine gegebene negative Situation, nicht die „Abwesenheit“ einer Lösung.
  1. Identifizierung eines “Kernproblems” (welches auf den Baumstamm geschrieben wird). Der Festlegung auf ein Problem können durchaus mehrere Fehlversuche vorausgehen.
  1. Differenzierung der übrigen Probleme zwischen “Ursache” (auf die Wurzeln schreiben) und “Effekt” (die Äste)
  1. Hierarchisierung innerhalb beider Gruppen (Ursache und Effekt); z.B.: in welcher Verbindung stehen die Ursachen zueinander, welche Ursache bedingt die nächste usw.

Die Identifizierung der Ursachen hilft bei der Entwicklung von Gegenmaßnahmen, die besser auf das Problem reagieren oder die Ursache beseitigen.

 

Schritt Zwei:

Kartierung lokaler Stakeholder, Beteiligung aller Betroffenen

Es ist wichtig, die Bedeutung und den Einfluss verschiedener Stakeholder zu analysieren und zu kartieren. Es ist jedoch ebenso wichtig einen Aktionsplan zu entwerfen der die Bedeutung und den Einfluss der wichtigsten Stakeholder in den Prozessverlauf integriert. Über die relative Bedeutung von Stakeholdern und ihren Einfluss werden verschiedenen Ansichten bestehen.

Eines der Werkzeuge das die Kartierung verschiedener, an der Lokalgruppe notwendigerweise zu beteiligenden Stakeholder erlaubt ist die “Stakeholders Ecosystem Map“:

Stakeholder ecosystem map

Wie funktioniert die Methode:

  1. Befestigung der „ecosystem map“ (in Form eines „Spinnennetzes“ mit konzentrischen Kreisen) an der Wand. In jedem Segment sollte sich ein für den Plan bedeutsamer Sektor befinden, z.B. Bildung, Unternehmen, Mobilität, Wohnen oder Sozialpolitik, Umwelt und Wirtschaft.
  2. Stellen sie Überlegungen zu den wichtigsten Stakeholdern an: welchem Sektor gehören sie an und wie bedeutend sind sie? Benutzen Sie Klebezettel mit denen die Mitglieder der Lokalgruppe individuell die einzelnen Stakeholder platzieren, die Position diskutieren und schlussendlich gemeinsam mit der Gruppe festlegen. Die Wichtigkeit der Stakeholder steigt zum Zentrum der Karte an. Im Innersten Kreis befinden sich die Mitglieder der Lokalgruppe, in den äußerten Kreisen Stakeholder die von Bedeutung sind aber nicht dauerhaft Mitglieder der Lokalgruppen sein müssen.

Schritt Drei:

Definierung eines Ergebnisrahmens zur Erreichung der im Aktionsplan festgelegten Ziele – “the change you want to see” – Wann und wie werden sie gemessen

Ein Ergebnisrahmen festzulegen bedeutet, vom Beginn des Projekts an Zielvorgaben zu definieren; was soll durch das Projekt erreicht werden, wann wird das Ziel erreicht und wie wird es gemessen. Durch die Festlegung auf messbare und zeitliche Größen können Fortschritte überwacht, Aktivitäten – wenn nötig – angepasst werden und bewertete werden, ob die ursprünglichen Ziele erreicht wurden.

Der Ergebnisrahmen hat eine Reihe von Bausteinen und Schlüsselbegriffen, die in allen Strukturfondsprogrammen gleichermaßen angewandt werden. Um ihn effektiv anzuwenden muss Klarheit über die Terminologie bestehen:

Interventionslogik

Die Interventionslogik beschreibt den Ergebnisrahmen. Es ist ein Werkzeug zur Bewertung der Effektivität eines Programms oder Aktionsplans. Darin sollte beschrieben werden, wie eine Intervention zu den anvisierten Ergebnissen beiträgt oder – nach einer Implementierung – welche Ergebnisse tatsächlich beobachtet werden können.

Spezifisches Ziel und beabsichtigtes Ergebnis

Das spezifische Ziel (Specific objective) definiert die Veränderung in einer existierenden sozio-ökonomischen Situation die ein Projekt, Programm oder Aktionsplan zu erreichen sucht. Es kann folgendermaßen definiert werden: um zu verbessern…, zu reduzieren…oder zu erhöhen sollte ein integrierter Aktionsplan eines oder mehrere spezifische Ziele haben. Diese sollten immer spezifisch, messbar, erreichbar, realistisch und Zeit-gebunden sein. Das spezifische Ziel zeigt die intendierten Ergebnisse eines Programms oder Aktionsplans auf. Der intendierte Wandel kann sich auf viele Bereiche wie Gewohnheiten, soziale Praktiken, Institutionen u.a. beziehen.

Das beabsichtigte Ergebnis (Intended result) ist eine Ambition. Während diese Ambition realistisch und im Fokus aller Anstrengungen stehen muss ist es dennoch möglich, dass sie am Ende des Projekts oder Programms oder nach Realisierung des Aktionsplans nicht erreicht wird. Das Ergebnis nicht oder nur teilweise zu erreichen muss kein Fehler sein. Eine Evaluation des Programms oder Aktionsplans kann Aufschluss über die Ursachen, Konsequenzen und Lösungsmöglichkeiten geben.

Ergebnisindikator (Result indicator)

Ergebnisindikatoren sind Indikatoren die einen bestimmten, messbaren Aspekts eines Ergebnisses beschreiben. Die Auswahl klarer Ergebnisindikatoren für zu einem besseren Verständnis der Probleme und nötigen Policies.

Output Indikator

Der Output Indikator beschreibt physische Produkte nach der Verausgabung von Ressourcen (Geld, Zeit, Mühe) durch Policy- Interventionen.

Tabelle 1: Beispiele für Spezifisches Ziel sowie Ergebnis- und Outputindikator

 Spezifisches ZielErgebnisindikatorOutputindikator
 Erklärung 

Beschreibung der zu erreichenden Veränderung im Rahmen einer bestehenden Situation: das beabsichtigte Ziel

Eine Variable die einen relevanten Aspekt des beabsichtigten Ziels beschreibt, um die Veränderung einer gegenwärtigen Situation zu messenEine Variable, die den Output des Aktionsplans beschreibt. Outputs sind durch die Implementierung des Aktionsplans geschaffenen Produkte
 Beispiele

Jobs & Bildung

Steigerung der Zahl Jugendlicher in Beschäftigung (oder Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit)

Jugendarbeitslosigkeitsrate

Gegewärtig: 24% (2016)

Ziel: 20% (2020)
  1. Anzahl (No.) Jugendlicher die  Trainings erhalten
  2. No. Jugendlicher die Karriereberatung erhalten
  3. No. Jugendlicher die am Arbeitsplatz Erfahrungen sammeln

Nachbarschaftlicher Zusammenhalt

Abbau rassistisch motivierter Spannungen zwischen gesellschaftlichen Gruppen

Anzahl rassistisch motivierter Vorfälle und Hassverbrechen laut Polizeistatistik (Wochendurchschnitt)

Gegenwärtig: 45 (2015)

Ziel: 20 (2019)
  1. No. Durchgeführter “Awareness”-Kampagnen
  2. No. Etablierter Nachbarschaftsgruppen zur Vermittlung zwischen verschiedenen kulturellen Gruppen
  3. No. Organisierter interkultureller Dialogveranstaltungen

Stadterneuerung

Verbesserung der Eignung von Nachkriegssiedlungen für  selbstversorgendes / selbstständiges Altenwohnen

Anteil der Bewohner die ihre Wohnumgebung (Qualität ihres Wohnraumes und Verfügbarkeit essenzieller Dienstleistungen und Versorgungseinrichtungen) als angemessen für  selbstversorgendes Altenwohnen einschätzen.(Umfrage unter Bewohnern)

Gegenwärtig: 25% (2016)

Ziel: 60% (2024)
  1. No. Sozialwohnungen die “zukunftsfest” sind
  2. No. etablierte “Unterstützungseinrichtungen für Altenwohnen”

Mehr Informationen zum Ergebnisrahmen finden sich im URBACT Handbuch “Applying the results framework to integrated action plans” (2016).

Schritt Vier:

Identifizierung aller Werte und Stärken der Gemeinde, inklusive:

  1. Menschen & Sozialkapital
  2. Orte & Räume
  3. Geld
  4. Gebäude, Infrastruktur
  5. Wissen, Erfahrung
  6. Naturschätze

Diese Übung hilft beim Entwurf adäquater Maßnahmen, die alle verfügbaren lokalen Ressourcen und Stärken berücksichtigen und einbinden können.

Schritt Fünf:

Planung der Aktivitäten und Definierung eines Fahrplans

Sobald die Lokalgruppe die Probleme, zu involvierende Stakeholder und spezifische Ziele oder Visionen definiert hat ist es Zeit, Maßnahmen zu entwerfen die auf die Problemursachen eingehen und zur Zielerfüllung beitragen. 

Eine Möglichkeit um sich in der Lokalgruppe auf gemeinsame Maßnahmen zu verständigen ist die OPERA- Methode.

OPERA ist eine in Finnland entwickelte Methode zur gemeinsamen Entwicklung von Vorschlägen, die die Effektivität selbst einfachster Meetings nachhaltig steigern kann. Sie findet sowohl bei kleinen Gruppen (5-6 Personen) Anwendung, stellt aber auch für größere Meetings (bis zu 40- 50 Teilnehmer) ein effektives Kommunikationstool dar. Die Methode fokussiert die Gruppenenergie auf das gemeinsame Problem, sammelt, filtert und synthetisiert die Vorschläge in einem strukturierten Vorgang. Durch die Verbindung von systematischem Denken mit einem kreativen Problemlösungsprozess wird der höchste Nutzen aus dem Wissen und Erfahrungsschatz der Teilnehmer gezogen. Durch die Technik der „Paardiskussion“ wird jeder Teilnehmer in der Prozess eingebunden und ihre Gedanken und Vorschläge mobilisiert ohne das extrovertierte Teilnehmer die Diskussion dominierten können.

 

Wie funktioniert die Methode:

In einem ersten Schritt wird durch die Gruppe so spezifisch wie möglich eine Hauptfrage, ein Kernproblem oder eine Herausforderung formuliert, z.B.: „Was sind die zu lösenden Kernprobleme um den öffentlichen Raum in unserer Stadt aufzuwerten?“ Sobald die Kernfrage identifiziert wurde, führt ein Moderator die Gruppe durch die folgenden Schritte von OPERA:

O

Eigene Anmerkungen/Überlegungen

  • individuelle Arbeit (zu diesen Zeitpunkt ist keine Diskussionen erlaubt)
  • 3-5 Minuten um über die Hauptfrage nachzudenken
  • festhalten der Gedanken auf einem A4 Blatt
  • so spezifisch und konkret wie möglich

P

Paardiskussion

  • Paarfindung – vorzugsweise nicht mit bereits bekannten Kollegen
  • beide Parteien präsentieren ihre Ideen, ihr Gegenüber hört zu
  • Diskussion der Vorschläge untereinander – Klärungsfragen, mögliche Probleme, Herausforderungen
  • Erarbeitung von drei bis fünf gemeinsamen Vorschlägen (kein Konsenszwang)
  • Fixierung jedes Vorschlages auf einem separaten A5 Blatt

E

Erklärungen

  • Präsentation der Vorschläge vor der restlichen Gruppe
  • Jeder hört zu!
  • pro Paar stehen ein bis maximal zwei Minuten zu Verfügung
  • Der Moderator und die anderen Teilnehmer können Klärungsfragen stellen, eine Diskussion findet jedoch nicht statt
  • parallel zu Vorstellung werden die Vorschläge an ein Board geheftet (ähnliche Vorschläge werden nebeneinander gehangen)

R

Ranking

  • Ordnung und Hierarchisierung der Vorschläge (wichtig: dies dient zur Einordnung, stellt aber kein finales Ranking dar)
  • Kriterien: Festlegung durch den Moderator, der eine Reihe von einfachen aber relevanten Kriterien vorstellt, die bereits vor der Vorstellung auf einer Flipchart festgehalten wurden
  • jedes Paar erhält fünf bis zehn (ansprechend der Anzahl ihrer Vorschläge) selbstklebende Punkte die sie entsprechend ihrer Präferenzen verteilen (die exakten Auswahlregeln können angepasst werden):
  • Sie müssen sich auf eine Reihenfolge einigen
  • Sie können alle Punkte auf eine Karte setzen oder sie gleichmäßig verteilen
  • Sie könne nicht auf ihre eigenen Vorschläge setzen

A

Anordnung

  • Sortierung der geordneten Listen nach Themen und Popularität
  • Identifizierung einiger Kern-Unterthemen nach dem gleichen Prinzip (der Moderator kann bereits vorausdenken und vorschlagen wenn sich hierfür keine Vorschläge aus der Gruppe finden)
  • Erfassung der Titel der Unterthemen in den Spaltenköpfen des Boards
  • den weiteren „Aufträgen“ von Teilnehmern folgend werden nun die Zettel mit Vorschlägen unter den Unterüberschriften gesammelt, die mit hohen Bewertungen zuoberst, die niedriger bewerteten weiter unten

Das Ergebnis ist eine gemeinsam erstellte, Konsens-basierte Auswahl von Maßnahmen und Aktivitäten.

Darauf aufbauend ist es wichtig, einen Fahrplan oder Liste mit Aktivitäten zu erstellen, um die einzelnen Schritte in der Gesamtschau, inklusive anvisiertem Ziel, Zwischenzielen, Ergebnissen, Partnern, Zeitplanung, Budget und allen weiteren für wichtig befundenen Indikatoren zu betrachten.

Tabelle 2: Beispiel eines Fahrplans

Spezifisches Ziel
AktivitätBeabsichtigtes ErgebnisRessourcenHauptakteurHauptpartnerZeitschiene
      
      

Schritt Sechs:

Kommunizierung von Aktionsplan und Strategie

Der Entwurf einer Kommunikationsstrategie zum Aktionsplan für ein breiteres Publikum ist eine entscheidende Aufgabe. So können öffentliche Veranstaltungen zur Konsultation oder Information von Bürger geplant werden, ebenso kann die Nutzung von Kanäle örtlicher Medien sinnvoll sein.

Abhängig vom Thema oder Problemhintergrund des Aktionsplans kann es sinnvoll sein, auf eine bestimmte Zielgruppe zu fokussieren: Verwaltungsbehörden, potenzielle Geldgeber, Bürger und andere Interessengruppen.

 

Verweis: Mehr Informationen zu Methoden und Werkzeugen unter: http://urbact.eu/capacity-building

Bildnachweis: Urbact Netzwerk (eigene Darstellungen & Aufnahmen)