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Umeå – Gleichberechtigung der Geschlechter bei der Stadtplanung

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19 February 2018
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Gleichberechtigung und Inklusion sind in der Stadtplanung richtungsweisen. Sie sind die Grundlage für eine soziale, finanzielle und ökologische Stadtentwicklung. Linda Gustafsson zeigt anhand des Beispiels Umeå, wie Aspekte der Gleichberechtigung in die Planung urbaner Räume integriert werden können.

Bei der Gestaltung von Städten müssen die Faktoren Gleichberechtigung und Inklusion beachtet werden. Denn nur so erzeugen wir eine soziale, finanzielle und ökologische Nachhaltigkeit für die Bürger Europas, was wiederum allen zu Gute kommt. Dafür sollten die urbane Infrastruktur und die gebaute Umwelt so angepasst werden, dass sie die Gleichstellung von Mann und Frau fördern.  Wenn dieser Aspekt nicht gleich von Anfang an in der Planung berücksichtigt wird, gehen viele Perspektiven und Chancen verloren. Es ist nicht ganz leicht, herauszuarbeiten, wie Aspekte der Gleichberechtigung in die Planung urbaner Räume integriert werden können. Dieser Artikel wagt einen Versuch am Beispiel der schwedischen Stadt Umeå.

Geschlechtsspezifische Perspektive: Ein Wechsel in der Stadtplanung

Sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart spiegeln die Strömungen in der Stadtplanung und Stadtentwicklung hauptsächlich Perspektiven und Bedürfnisse der männlichen Bevölkerung wider. Frauen werden in erster Linie in der Rolle einer sozialen Bezugsperson angesehen. Dieser Unterschied in der wahrgenommenen Rollenverteilung und Verantwortlichkeiten beeinflusst die Nutzung urbaner Räume am stärksten. Aufgrund der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung übernehmen Frauen den überwiegenden Teil der pflegerischen Tätigkeiten und Betreuungsmaßnahmen innerhalb ihrer Familie und Kommune. Es ist daher unbedingt erforderlich, Frauen bei der Planung und Entwicklung einer Stadt aktiv zu berücksichtigen: sie organisieren effektiv den Haushalt, sie bringen sich wesentlich in die Gestaltung ihrer Wohnumgebung ein und sie vernetzen die Nachbarschaft. Das macht sie zu entscheidenden Nutzerinnen des urbanen Raums. Wenn diese Faktoren bei der Entwicklung der Infrastruktur und der gebauten Umwelt nicht berücksichtigt werden, werden die gegenwärtigen Geschlechterrollen und Machtstrukturen aufrechterhalten und verstätigen sich weiter. Es bedarf einer radikalen Veränderung der Denk- und Handlungsweisen, um auf Regionen, Städte, Kommunen und Familien aus einer geschlechtsspezifischen Perspektive blicken zu können.

Geschlechtsspezifische Orte und Plätze –  Tour durch Umeå
Umeå
Was also hat Umeå gemacht, um dieses Problem anzugehen? 2009 hat Umeå eine geführte Bustour ins Leben gerufen, die geschlechtsspezifisch gebaute Stellen in der Stadt aufzeigt. Während der Tour werden dem Zuschauer unterschiedliche Orte und Plätze gezeigt und er wird über ihr Design, den historischen Kontext und ihre aktuelle Nutzung informiert. Die Tour wird zu einem Instrument, das die Gleichberechtigung von Mann und Frau unterstreicht, genauso wie ihre Bedeutung für die Planung und Nutzung urbaner Räume. Die Tour zeigt den Wandel auf, genauso wie erfolgreiche Strategien und bekennt sich auch zu weiterhin bestehenden Problemen. Dies macht die Rundfahrt zu einer innovativen Möglichkeit den Menschen zu zeigen, welche Formen die Gleichberechtigung oder eben die fehlende Gleichberechtigung der Geschlechter in einer Stadt annehmen kann.

Diese Bustour-Methode wird zum einen für Bildungszwecke verwendet. Zum anderen soll sie ein gemeinsames Verständnis schaffen für geschlechtsspezifische Machtstrukturen, die die Stadtplanung beeinflussen. Darüber hinaus bietet diese Methode die Möglichkeit, Fragen zu Entwicklungsproblemen einer Stadt zu stellen und festzustellen, wo diese herkommen. Sie eröffnet den Menschen die Chance, gewohnte Normen auf eine provokative sowie herausfordernde und dynamische Weise kritisch zu hinterfragen. Je nach Kontext können die spezifischen Schwerpunkte und Inhalte dieser Fragen variieren. Einige Problembeispiele, die im Rahmen der Bustouren durch Umeå aufgeworfen wurden, sind folgende:

  • In welcher Form und für welche Nutzergruppen gestalten wir neue Tunnel, Spielplätze, Treffpunkte, Erholungszentren etc.?
  • Planen wir unseren öffentlichen Nahverkehr für die eigentlichen Nutzerinnen und Nutzer oder diejenigen, die wir gerne als Nutzerinnen und Nutzer hätten?
  • Warum nutzen Frauen den öffentlichen Nahverkehr häufiger als Männer?
  • Wer hat die Entscheidungsgewalt?
  • Welches Wissen nutzen wir, wenn wir Stadtentwicklung betreiben und öffentliche Räume entwickeln?

Von Fragen zum Handeln: Was die genderspezifische Bus-Tour bewirkt hat

Die genderspezifische Bustour ist ein Teil der städtischen Strategie zur Gleichstellung der Geschlechter in Umeå. Es gibt mehrere Beispiele, die aufzeigen, dass die Tour sich bereits auf die Planung und Entwicklung der Stadt auswirkt. Im Folgenden sind einige Beispiele genannt:

Die „Freezone Initiative“ – Das Amt für Straßen und Parkanlagen in Umeå hat ihre Kommunikationsmethoden mit den Bürgern angepasst und gendert nun die wichtigsten Dokumente.

Eine ausgewogenere Nutzung von Sportplätzen – Das Gremium „Freizeit“ des Gemeinderats entschied sich dafür, die Trainingszeiten unabhängig vom Geschlecht und dafür nach der zugehörigen Klasse des Teams zu vergeben. Da das Frauen-Team von Umeå in der höchsten Klasse spielt, konnte sie ihre Trainingszeiten zuerst wählen. Vor dieser Entscheidung waren sie eins der letzten Teams, die sich ihre Zeiten aussuchen konnten.
Umeå
Die Vertretung der Geschlechter in der städtischen Kulturszene – Die Kulturabteilung in Umeå überwacht fortwährend das Geschlechterverhältnis auf den wichtigsten kulturellen Bühnen in der Stadt. In den letzten Jahren zeichnete sich ein positiver Trend in Bezug auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis ab: Bei 2000 Veranstaltungen im Jahr 2015 lag der Frauenanteil bei 45 Prozent.

 

Ein Beteiligungsinstrument in einer kontinuierlichen Weiterentwicklung

Die geschlechtsspezifische Stadt-Tour wird seit 2009 durchgeführt und wird kontinuierlich weiterentwickelt. 2016 wurde die Tour um ein Element aus der virtuellen Realität ergänzt. Dieses wird beispielsweise an Grundschulen und weiterführenden Schulen für pädagogische Zwecke eingesetzt. Es ist zwingend erforderlich, dass das Verfahren zur Schaffung geschlechtsspezifischer Orte und Plätze in einer Stadt flexibel bleibt. Denn ihre Gestaltung bleibt von einer fortwährenden Wissensentwicklung über die Stadt, dem Schauplatz geschlechtsspezifischer Orte und Plätze, abhängig. Die Bus-Tour wurde daher regelmäßig angepasst. Zurzeit werden 25 Stellen angefahren. Einige dieser Haltepunkte sind von Anfang an dabei gewesen. Einige sind wieder verschwunden. Aber noch mehr Orte sind im Laufe der Jahre dazugekommen.
Umeå
Ein für andere Städte leicht übertragbares Verfahren

Diese Methode lässt sich leicht auf unterschiedliche lokale und kulturelle Kontexte übertragen. Das Potenzial ist daher groß, dass sie auch international Anwendung findet, insbesondere im Rahmen von URBACT. Internationale Austauschprozesse mit Umeå fanden bereits in der Vergangenheit statt. Hier ist insbesondere die Zeit zu nennen, in der Umeå zur Kulturhauptstadt Europas gekürt wurde. Aber auch darüber hinaus hat die Stadt an etwa 30 weiteren internationalen Austauschprojekten teilgenommen.

Der Europäische Rat der Gemeinden und Regionen (RGRE) hat Umeå auf der internationalen Ebene als eine beispielhafte Stadt für die Gleichberechtigung von Mann und Frau hervorgehoben. Zusätzlich betonte die Jury von "Grüne Hauptstadt Europas" die Arbeit zur Gleichstellung der Geschlechter und führte aus, dass „Umeå auch den Faktor berücksichtigt, wie sich das Geschlecht auf die Interaktion mit der Umwelt auswirkt. Dieser Ansatz wurde von der Jury gewürdigt.“ (Grüne Hauptstadt Europas, 2016).

Weitere Links

Strategie zur Gleichstellung der Geschlechter in Umeå (engl.)
Umeå – Eine beispielhafte Stadt für die Gleichberechtigung von Mann und Frau (engl.)
Der Bericht der JuryEuropäischer Preis für Grüne Hauptstadt 2018“ (engl.)