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Kooperation, Städte & digitale Tools im Kontext von Covid-19

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16 April 2020
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In ihrem URBACT-Blogeintrag diskutiert die Koordinatorin des afrikanischen Städtenetzwerks ASToN, Simina Lazar, auf persönliche Art und Weise die möglichen Folgen der Covid-19 Pandemie für die Kooperation zwischen und in Städten. Ihr Plädoyer: Mehr globale Zusammenarbeit muss die Antwort auf die aktuelle Krise sein.

Ich muss gestehen: Als ich erstmals vom Shutdown in Paris hörte, war einer der ersten Gedanken: "Dann habe ich endlich Zeit zum Schreiben". Natürlich war das etwas oberflächlich und auch rücksichtslos gegenüber all denen da draußen, die von der Pandemie viel stärker betroffen sind als ich, aber so war der erste Gedanke.

In den letzten drei Monaten sind wir quer durch Afrika gereist, um die elf ASToN-Städte zu besuchen. Wir hatten die Gelegenheit, viele lokale Dynamiken und Trends zu beobachten, mit einigen sehr sachkundigen und erfahrenen Leuten zu diskutieren und einige wirklich fesselnde Geschichten zu hören. Ich wollte über afrikanische Mädchen in der Tech-Branche schreiben, über die Herausforderungen beim Aufbau eines modernen Postleitzahlensystems für multikulturelle und mehrsprachige Städte oder über lokale Behörden und ihre manchmal zaghafte Zusammenarbeit mit der Gründerszene. All diese Themen stehen noch immer auf meiner Liste und ich hoffe, dass ich sie irgendwann einmal tiefer diskutieren kann. Ich muss allerdings zugeben, dass sie angesichts der weltweiten Covid-19-Krise und nach dem aktuellen Lockdown etwas verblasst sind.

Seit ich begann, Internationale Beziehungen zu studieren, war ich überzeugt von Kooperation als Instrument zur Bewältigung lokaler und globaler Herausforderungen. Von lokalen Gemeinschaften und Nachbarschaftsgruppen bis hin zu globalen Organisationen und ihren Zielen für Zusammenarbeit und Frieden - ich war voll dabei!

Es ist kein Wunder, kann man sagen, dass der größte Teil meines Berufslebens URBACT und seiner Mission für den Austausch und das Lernen zwischen Städten als Mittel zur Bewältigung komplexer städtischer Herausforderungen gewidmet war. In den letzten 17 Jahren hat URBACT ein bewährtes und erprobtes Instrumentarium für Städte zusammengestellt, um pragmatische Lösungen für Herausforderungen in ihrem jeweiligen Kontext zu entwickeln. Die meisten dieser Instrumente basieren auf Austausch und voneinander lernen, aber auch auf Treffen, Peer-Austausch, Workshops und allen Arten von Begegnungen im beruflichen Alltag und wirklichen Leben. All dies geschieht (geschah?) von der lokalen Ebene bis hin zur internationalen Ebene. Genau hier tut sich für mich eine erste große Frage auf: Was bedeutet die gegenwärtige Gesundheitskrise für die Kooperation zwischen den Städten bzw. für jedwede Kooperation insgesamt?

Natürlich haben die meisten von uns Internet, und unser Alltag ist zu einer Aneinanderreihung von Telefongesprächen, Videokonferenzen, Webinaren und ähnlichem geworden. Natürlich spart es eine Menge Zeit und Energie, sich auf diese Weise zu verbinden, anstatt zu reisen, um jemanden zu treffen. Aber können diese Hilfsmittel tatsächlich einen dreitägigen intensiven Workshop und all die zufälligen Begegnungen ersetzen, die entstehen können, sogar wenn man 50 Menschen aus verschiedenen Ecken ein und derselben Stadt zusammenbringt? Wenn nicht, welche Art von Instrumenten können wir stattdessen verwenden, um diesen Austausch zu initiieren und konkrete Lösungen für Städte während einer voraussichtlich langen Krise in Europa (und noch länger in Afrika) anzubieten?

"Die einzig wirksame Lösung ist die globale Kooperation"

Im globalen Maßstab verstehen wir, dass die weltweite Zusammenarbeit in Krisenzeiten noch wichtiger ist als in Friedenszeiten. Wie Yuval Noah Harari in einem überzeugenden Beitrag sagt, ist zur Bekämpfung der Epidemie selbst und der daraus resultierenden Wirtschaftskrise die einzige wirksame Lösung die globale Kooperation. Sie bedeutet, Informationen auszutauschen, offen um Rat zu fragen, eine koordinierte globale Anstrengung zu unternehmen, um medizinische Ausrüstung fair zu produzieren und zu verteilen oder medizinische Personalkapazitäten zu bündeln - all dies auf der Grundlage der tatsächlichen Bedürfnisse und nicht aus Angst vor Knappheit.

 

Wie es meistens der Fall ist, sind Städte sowohl der Bösewicht als auch der Held der Geschichte.

Forscher haben bereits den Zusammenhang zwischen der jüngsten Entwaldung, der massiven Verstädterung und der aktuellen Pandemie aufgezeigt. Roger Keil, Creighton Connolly und S. Harris Ali erläutern in diesem Artikel auch, wie die größer werdenden Stadtränder die (Wild-)Tiermärkte und Flughäfen (wie im Fall von Wuhan) einander näher bringen und so die Verbreitung von Viren so viel einfacher machen. Es finden bereits viele Diskussionen über die städtische Dichte statt und darüber, wie sie heutzutage als bedrohlich empfunden wird (siehe französische oder amerikanische Politiker, die sich über Menschen äußern, die in den Parks in Paris oder New York City ausgehen) und wie sie durch Social Distancing begrenzt wird. Gleichzeitig erinnern uns die NY Times oder der Guardian daran, dass die Dichte uns hilft, den Klimawandel zu bekämpfen, indem sie Skaleneffekte ermöglicht, die die Kommunen bei Katastrophen widerstandsfähiger machen.

Gleichzeitig sind die Städte auch Vorreiter, wenn es darum geht, auf unbekanntes Terrain vorzudringen, wie auch bei der Bekämpfung dieser neuen Pandemie. Dies geschah, weil sehr oft national (siehe die erste Reaktion Chinas oder der USA) weder Verantwortung übernommen noch eine globale Strategie verabschiedet wurde. Einige betrachteten bereits den Ansatz Singapurs im Umgang mit dem Virus, der auf umfangreiche und kostenlose Tests und der Rückverfolgung von Kontakten der ersten Patienten beruht, als etwas, das einer guten Praxis nahekommt.

Städte verfolgen dagegen einen der Kernpunkte von Hararis Kooperationsplan gegen das Virus: den Austausch von Informationen und lokalen Erfahrungen. Plattformen wie Eurocities in Europa, National League of Cities in den USA und Cities for Global Health weltweit stellen bereits Datenbanken mit lokalen Lösungen zur Bekämpfung des Virus zusammen.

Und meine Einschätzung ist, dass dies erst der Anfang ist. Es werden Lösungen entwickelt werden (und viele davon digital), um dem Virus zu begegnen. Ein Beispiel ist Trace Together, die App, die von der Singapore Tech Agency entwickelt wurde, um Kontakte zu verfolgen und die Verbreitung des Virus zu verhindern. Für eine App, die das Verhalten von Personen aufzeichnet, wird die Privatsphäre so weit wie möglich respektiert - die Benutzer registrieren sich auf freiwilliger Basis und die Anwendung verfolgt die Benutzer nicht räumlich durch Bewegungsdaten, sondern zeichnet lediglich Begegnungen über Bluetooth auf. Natürlich ist die öffentliche Kontrolle von Überwachungsfragen von entscheidender Bedeutung - denn eine verminderte Privatsphäre ist ein Preis, den viele gerade in Zeiten einer Gesundheitskrise zu zahlen bereit sind.

 

Erste Reaktionen sind auch in Afrika sichbar. In Kigali (Ruanda) fördert die Regierung die Verwendung von mobilen Zahlungsmethoden anstelle von Papiergeld als Mittel zur Bekämpfung des Virus (und oben drauf der informellen Wirtschaft). Eine weitere einfache, aber wirkungsvolle Idee kommt aus Lagos (Nigeria), wo die Telekommunikationsbetreiber ihre Namen auf den Displays von Endgeräten durch "stay safe!" oder "stay at home!“ ersetzt haben.

Bleiben Sie also sicher & bleiben Sie zu Hause! Weitere gute Nachrichten über die Innovation, die am Kontext von Covid-19 (und unserer Städte) stattfindet, stehen noch aus.

 

Das englische Original des URBACT-Blog-Eintrags von Simina Lazar finden Sie hier.

 

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© volodymyr hryshchenko - unsplash

© Go Cachless Campaign Rwanda