Kohäsionspolitik nach 2020: Was kommt auf URBACT zu?
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19 April 2018Aufbauend auf dem „Siebten Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt der Europäischen Kommission“ vom Oktober 2017 organisierte URBACT am 6. März 2018 einen Workshop in Paris. Dort haben die Kommission, der Ausschuss der Regionen und Eurocities gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und städtischen Vertretern diskutiert, welche Rolle die Städte und die territoriale Kooperationen in der Kohäsionspolitik nach 2020 spielen können.
Zwei Indikatoren
Philippe Monfort von der Analyse-Abteilung der Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung stellte bei dem Workshop die wichtigsten Ergebnisse und Schlussfolgerungen des Siebten Kohäsionsberichts vor. Das Bild, das der Bericht zeigt, ist nur schwer hinzunehmen: die „Konvergenzmaschine“ bzw. das Zusammenwachsen hat nach der Krise aufgehört zu funktionieren – und zwar nicht nur zwischen den Mitgliedstaaten, sondern manchmal auch innerhalb der Länder. Der Bericht beschreibt ausführlich die entsprechenden Prozesse in den verschiedenen Regionen und Städten in der letzten Zeit. Dabei stechen zwei Indikatoren heraus heraus, die widerspiegeln, wie sich die Städte in den letzten Jahren geschlagen haben.
Index der regionalen Konkurrenzfähigkeit (Regional Competitiveness Index RCI): Der RCI misst die Fähigkeit einer Region, ein attraktives und nachhaltiges Umfeld für Unternehmen und Bewohner zu schaffen, in dem sie arbeiten und leben können. Er weist darauf hin, dass Hauptstadt- und Metropolregionen nach wie vor die wichtigsten Motoren der regionalen Wettbewerbsfähigkeit in Europa sind. In einigen westeuropäischen Ländern hat ein hoher RCI-Wert auch positive Auswirkungen auf das Umland der Ballungsräume. In osteuropäischen Ländern kann dieser Effekt aber nicht beobachtet werden. Dieser Umstand macht es schwer, herauszufinden, welche Faktoren eine Stadt wettbewerbsfähig machen. Ebenso schwierig ist es folglich zu erkennen, ob diese Faktoren für alle Teile Europas gelten.
Armutsrisiko und soziale Ausgrenzung: Auf der gegenüberliegenden Seite steht der Indikator AROPE (Risk of poverty and social exclusion). Er ist eine Kombination von drei Indikatoren, die Armut und soziale Ausgrenzung in der EU messen. Die Zahlen aus dem Bericht zeigen, dass insbesondere in den baltischen und südlichen Mitgliedstaaten die Armut nach wie vor hoch ist. In den städtischen Gebieten der 13 Mitgliedstaaten die mit der Osterweiterung nach 2004 zur EU stießen (EU-13: Bulgarien, Kroatien, Zypern, Tschechien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Rumänien, Slovakei und Slowenien) sinkt das Armutsrisiko. Dagegen steigt es in den „EU-15-Ländern“, also den Ursprungs-Mitgliedern vor der Osterweiterung (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Irland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien) wieder an. Dieser Umstand deutet darauf hin, dass Städte eine höhere Lebenqualität als die Umlandregion haben können (EU-13), dass es jedoch auch in den Städten selbst bedeutende Inseln der Armut gibt (EU-15). Bulgarien und Belgien sind dafür ein gutes Beispiel (s. Abbildung 2).
… drei Fragen…
In diesem Kontext hat Wallis Goelen von der Abteilung Städtebau der Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung dem Publikum drei Fragen zur Zukunft von Städtekooperationen gestellt:
- Die Unterstützung, die Städte durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) erhalten, ist gegenwärtig sehr kleinteilig. Sie müsste viel stärker Erfahrungen und das Ausprobieren neuer Strategien, Investitionen und Wissen sowie Kapitalisierung und Politik miteinander verbinden. Inwiefern sollten wir den Städten also verstärkt mit einer einheitlichen Strategie entgegenkommen?
- Bei der Arbeit der Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung haben wir in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass Städte gerne ihre Strukturen und Kompetenzen verbessern möchten, um gut gerüstet zu sein für städtische Herausforderungen. Wie können wir diese Aufgabe besser angehen?
- Wie können wir eine bessere Abstimmung erreichen zwischen dem Fachwissen der Städte und den politische Anforderungen, wie sie die Städtische Agenda für die Europäischen Union formuliert?
…und ein Bus.
Die ersten Antworten im Workshop waren ehrlich, offen und stelten manchmal eine Herausforderung dar. Tendenziell war das Publikum optimistisch hinsichtlich der Rolle der Städte und ihrer Zusammenarbeit in der zukünftigen Kohäsionspolitik. Dennoch wurden auch Zweifel geäußert. Die Anwesenden stellten die Frage, wie die Dinge in Europa gehandhabt werden sollten und inwieweit auch Städte Einfluss auf die Gestaltung der europäischen Politik haben oder haben können. Dazu sagt Annalisa Boni von Eurocities folgendes:
„Wenn Sie städtische Herausforderungen konkret angehen, können Sie damit auch viele europäische Herausforderungen wie Armut und Verkehrsüberlastungen bewältigen. Die Kohäsionspolitik muss für alle Regionen zugänglich sein. Städte müssen daher an der Gestaltung und Umsetzung der Politik beteiligt werden. Das sollte strategisch erfolgen; Konsultationen in letzter Minute bringen nichts. Ein schlechtes Grundgerüst wird auch die Umsetzung der Vision behindern.“
Um auch die Perspektive der Städte darzustellen, betonte Rui Franco aus Lissabon (PT), wie wichtig es ist, richtige Messinstrumente zu verwenden. Lissabon kann in diesem Zusammenhang als „reich“ betrachtet werden, da die Stadt im europäischen Vergleich ein überdurchschnittlich hohes Bruttoinlandsprodukt hat und viele internationale Touristen und Unternehmen anzieht. Unglücklicherweise macht dieser Umstand sie damit nicht zu einer Stadt mit großem Zusammenhalt, in der alle gleichberechtigt leben. Inseln der Armut bleiben in benachteiligten Stadtgebieten bestehen und Investitionen aus dem Ausland bringen die lokale Wirtschaft nicht unbedingt voran. Darum kann ein richtiges Maß an Intervention dazu beitragen, dass die Kohäsionspolitik die Distanz zwischen der EU und ihren Bürgern auf eine konkrete, realistische und kraftvolle Art und Weise überbrücken kann.
Was die Rolle der Städte bei der Gestaltung der zukünftigen Kohäsionspolitik angeht, so spielt die Städtische Agenda für die EU eine entscheidende Rolle. Es ist die wichtigste Initiative, die sich mit städtischen Themen und Anliegen auf unterschiedlichen Ebenen auseinandersetzt, die je von der EU ins Leben gerufen wurde. Als Fiona Wieland von der Abteilung Städtebau der Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung die Agenda vorstellte, nutzte sie die folgende Bus-Metapher:
„Als die Städtische Agenda für die EU mit dem Pakt von Amsterdam ins Leben gerufen wurde, verglichen wir sie mit einem Bus, der noch kein Ziel hatte. Die Reise selbst war uns wichtig. Nun sind wir an einem Punkt angekommen, an dem sowohl das Ziel entscheidend ist, als auch die Frage nach denjenigen, die mit auf die Reise gehen.“
Die Europäische Kommission muss bei der Umsetzung wachsam sein: Wie kann die zukünftige Kohäsionspolitik die wichtigen Stimmen kleiner und mittlerer Städte und Metropolregionen hören und alle städtischen Akteure einbeziehen?
Die gesamten Ergebnisse des Workshops wurden dem URBACT Monitoring Committee im April 2018 präsentiert. Dieser Workshop war der erste von vielen Schritten, die die Zukunft von URBACT gestalten werden. Wenn Sie mehr über die nächsten Schritte wissen wollen, die URBACT auf dem Weg ins Jahr 2020 unternehmen wird, können sie hier mehr darüber erfahren oder folgen Sie uns auf Twitter & unserem Newsletter.
UPDATE: Die Beratung zu der Zukunft der Kohäsionspolitik ist nun geschlossen.
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