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Interview zu Re-growCity: „URBACT hilft Altena, die eigenen Stärken zu entdecken und in den Vordergrund zu rücken“

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14 January 2020
Read time: 4 minutes

Im Transfer-Netzwerk Re-growCity vermittelt Altena als Lead Partner seine erfolgreiche Strategie gegen den Schrumpfungsprozess – eine URBACT Good Practice. Lisa Engstfeld von der Stadt Altena erklärt im Interview, wie dieser Transferprozess auch für die Weiterentwicklung der eigenen Strategie genutzt wird.

Mit welcher Ausgangssituation sind Sie in das URBACT-Netzwerk gestartet? Was ist die Herausforderung in Ihrer Stadt?

Altena ist eine Kleinstadt mit 17.300 Einwohnerinnen und Einwohnern in Nordrhein-Westfalen. Sie hat von 1970 bis heute fast 50 Prozent ihrer Bewohnerinnen und Bewohner verloren. Das ging einher mit einer sich stetig verschlechternden Finanzsituation, die Investitionen erschwerte, und so kam Altena in den Teufelskreis der Schrumpfung. Um sich trotzdem weiter zu entwickeln und zukunftsfähig zu gestalten, entwickelte die Stadt eine Überlebensstrategie zur Regeneration und Neuausrichtung auf Basis der eigenen Stärken.

Diese Strategie beinhaltete einen Maßnahmenmix, der die Attraktivität und Handlungsfähigkeit Altenas wieder steigern sollte. Dazu gehörte eine personelle und strukturelle Anpassung der öffentlichen Einrichtungen, die auch Schließungen und Entlassungen, bzw. die Nichtneubesetzung von Stellen beinhaltete. Zusätzlich galt es aber, insbesondere neue Impulse zu setzen und gezielt bestehende Strukturen zu fördern. Hier wurden vor allem der Tourismus, das Ehrenamt, Pop-up-shops für die Innenstadt, städtebauliche sowie Stadtverschönerungsprojekte fokussiert.

Welche Ziele möchten Sie im Rahmen von URBACT speziell für Ihre Stadt erreichen?

Als Lead-Partner im Transfernetzwerk wollen wir unsere Erfahrungen im Umgang mit dem Schrumpfungsprozess darstellen und mit unseren Partnern teilen. Doch natürlich möchten wir auch unsere bestehende Strategie weiterentwickeln und die aktuelle Umsetzung gemeinsam reflektieren. Um unsere Ansätze greifbar zu machen, haben wir uns im Projekt darauf verständigt gezielt zwei konkrete Projekte umzusetzen. Die Partner hatten dabei die Wahl, welches Projekt für sie am interessantesten ist. Im Fokus stehen hier zum einen die Pop-Up-Shops in unserer Innenstadt. Pop-Up-Stores beleben die Innenstadt der jeweiligen Kommune für einen festgesetzten Zeitraum. Ohne Risiko und mit städtischer Unterstützung können Ladenbesitzer ein Geschäft mit ihren Produkten eröffnen und ausprobieren, ob es funktioniert. Je nachdem kann die Öffnungszeit ein paar Wochen, mehrere Monate oder für immer betragen. Dadurch soll die Innenstadt einen Aufschwung erleben, bei dem auch die bereits ansässigen Einzelhändler mitwirken und zusätzlich das Image der Stadt wieder verbessern.

Weiteren Input und mögliche Weiterentwicklungen möchten wir auch beim Stellwerk generieren, im Projekt auch NGO-Plattform genannt. Das Stellwerk in Altena unterstützt gemeinnützige Projekte, hilfsbedürftige Menschen und fördert den Zusammenhalt in Altena. Es arbeitet autark und ohne offizielle Führung, sodass alle Ehrenamtlichen frei entscheiden können, an welchem Projekt sie teilnehmen möchten. Die Stadtverwaltung Altena versucht die Gemeinschaft zu unterstützen, indem zum Beispiel bei Bürokratie etc. geholfen wird. Im Rahmen des Re-growCity Netzwerkes wollen wir abhängig von der Ausgangssituation in den Städten ähnliche Gruppierungen fördern und aufbauen. Eine schrumpfende Stadt kann viele Defizite in der Versorgung durch ehrenamtliche Projekte ausgleichen.

Außerdem hat Altena ein ganz grundsätzliches Interesse daran, die Mitarbeit an europäischen Projekten stetig fortzuführen und den Blick über den eigenen Tellerrand zu wagen. Die Stadt hat bereits am URBACT-Netzwerk OP-ACT: Options of Action teilgenommen und hier sehr positive Erfahrungen gemacht – so positiv, dass wir aktuell neben Re-growCity sogar noch in einem zweiten Netzwerk (Volunteering Cities) als Partner involviert sind.

Welchen Mehrwert haben Sie bislang vom europäischen Austausch mit den anderen Städten Ihres Netzwerkes?

Bisher profitieren wir einerseits davon, durch die Vorstellung unserer eigenen Projekte, diese mithilfe von externen Praktikern aus anderen Städten Europas reflektieren zu können. Die Motivation, auch die eigene Good-Practice zu verbessern, ist ein entscheidender Treiber in unserer Arbeit in Re-growCity. Wir lernen hier auch ganz konkret von unseren Partnern, die in verschiedenen Bereichen bereits Vorreiter sind. Im portugiesischen Melgaço hat man zum Beispiel viel Erfahrung damit, wie man erfolgreich das Konzept von Pop-up-Shops etabliert und diese teilweise auch in langfristige Nutzungen überführen kann.

Die verschiedenen Ausgangssituationen der Partnerstädte sorgen dafür, dass das Netzwerk eine sehr breite Expertise abbildet. Zudem bietet uns URBACT die Chance, auch als kleinere Stadt europäische Beziehungen aufzubauen und zu verfestigen.

Was ist Ihre Bilanz zur bisherigen Projektlaufzeit? Was läuft gut, wo gibt es noch Luft nach oben?

Das Projekt verläuft insgesamt sehr gut. Luft nach oben gibt es besonders bei der Kommunikation, also dem medialen Auftreten und dem Auftreten in sozialen Netzwerken. Unsere portugiesischen Partner sind dabei sehr aktiv, während andere Partner und auch wir hier noch nicht viel Erfahrung haben und noch mehr machen können.

Aber auch hier haben die Partner im Rahmen der URBACT-Netzwerkarbeit bereits viele neue Einblicke und Anreize bekommen, die schon zu guten Fortschritten führten. Auch uns hat URBACT weiter an die Bedeutung und die vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten von Social Media herangeführt und wir sind dabei neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Um unsere Ergebnisse zu präsentieren wollen wir zum Beispiel eine URBACT Pop-up Woche in Altena durchführen, bei der die Partner bei uns im Sauerland für drei Tage Shops eröffnen und dabei auch Waren, ihren Tourismus u.ä. präsentieren können. Dafür werden wir uns noch ein paar gute Präsentationsideen einfallen lassen müssen, damit Besucher von URBACT, den Städtepartnern und auch unsere Einwohner und Einwohnerinnen viel zu sehen bekommen.

Transfer-Netzwerke gab es bislang bei URBACT nicht. Was ist Ihr Eindruck: Funktioniert der Transfer auf die anderen Städte gut?

Der Transfer auf die Städte funktioniert besonders beim konkreten Projekt der Pop-up-Shops sehr gut. Die Ehrenamtsplattform, die wir in den Partnerstädten in Anlehnung an unser Stellwerk etablieren möchten, hat größere Probleme, da hier Freiwillige für ehrenamtliche Projekte gefunden werden müssen, was teilweise aus kulturellen Gründen oder Desinteresse nicht einfach ist.

Das Problem ist, dass einige Städte etwas länger brauchten, um die Arbeitsweise von Transfer-Netzwerken zu verinnerlichen, sodass sie aktuell noch hinterherhinken. In den nächsten Treffen und auch durch 1-zu-1-Betreuung sollen diese Probleme angegangen werden. Außerdem können die Städte ihre Ziele im Transferplan entsprechend ihrer bisherigen Erfahrungen im Projekt noch einmal anpassen. Das schafft die nötige Flexibilität, allen bedarfsgerechte Zielstellungen zu ermöglichen, die sie auch erreichen können.

Das URBACT-Programm möchte nachhaltige positive Entwicklungen anstoßen und fördern. Wie ordnet sich vor diesem Hintergrund URBACT in eine gesamtstädtische Strategie ein? Ist bereits absehbar, was nach URBACT kommt?

Re-growCity versucht neben den zwei Projekten zu den Pop-up-Shops und der Ehrenamtsplattform auch eine Gesamtstrategie zu vermitteln und weiterzuentwickeln, die im Schrumpfungsprozess helfen kann. Dazu haben wir auch ein Video mit einem ausführlichen Interview mit Bürgermeister Dr. Andreas Hollstein gedreht.

Im Rahmen der Netzwerkarbeit versuchen wir auch den anderen Städten zu erklären, wie sich unsere beispielhaften Transferprojekte in unsere Gesamtstrategie und einen größeren Kontext einordnen. Zusätzlich soll von allen Partnerstädten eine Mayoral Declaration unterschrieben werden, in der sich die schrumpfenden Städte gemeinsam zu Leitlinien bekennen und eine weitere Zusammenarbeit ankündigen. In unserem nächsten Netzwerktreffen werden wir uns mit dieser Deklaration beschäftigen und unsere Ideen zusammentragen. Wichtig ist, dass das Projekt nicht mit dem Programmende um Dezember 2020 in Vergessenheit gerät, sondern die erprobten Ansätze auch weiterhin verfolgt werden. Dabei hilft auch, dass unsere Partner zusätzlich mit anderen europäischen Programmen vernetzt sind und teilweise auch Partner von Eurocities sind, sodass wir auch versuchen auf diesen Plattformen und in diesen Netzwerken unsere Ideen und Netzwerkergebnisse zu streuen.

Weitere Informationen:

 

Netzwerk: Re-growCity
Netzwerktyp: Transfer-Netzwerk
Laufzeit:Mai 2018 - Dezember 2020
Lead-Partner: Altena (DE)
Weitere Partner: Manresa (ES), Idrija (SLO), Igoumenitsa (GR), Isernia (IT), Melgaço (PT), Aluksne (LV), Nyírbátor (H)
Lead-Experte: Dr. Hans Schlappa

© Fotos: Stadt Altena