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Internet der Dinge: Von der Anwendung zuhause bis in die Stadt

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03 July 2017
Read time: 5 minutes

von Peter Ramsden. Seit Jahren hatte ich ein Geheimnis. Ich wusste nicht wirklich was der Begriff „Internet der Dinge“ bedeutet. Ich wusste was das Internet ist. Ich wusste auch was „Dinge“ sind, aber beide Begriffe zusammengesetzt, das war ein Rätsel für mich. Also eine kurze Definition: „Internet der Dinge (oder IoT von Englisch „Internet of Things“) beschreibt die Vernetzung („Internetworking“) von Geräten, Fahrzeugen, Gebäuden und anderen Gegenständen. Sie alle sind ausgestattet mit Elektronik, Software, Sensoren, Bedienelementen. Zudem sind sie netzwerkfähig. Damit können sie  Daten sammeln und diese austauschen.“  Man könnte auch einfacher sagen: IoT sind Objekte, die mit dem Internet verbunden sind.

Wohnen mit „Alexa“
Es hat mich schon amüsiert, als ich gehört habe, dass jemand elf Stunden damit zu gebracht hat, sich einen Tee zu machen, weil sein internetfähiger Wasserkocher sich nicht verbinden wollte. Trotz derartiger Verbindungprobleme gilt das vernetzte Zuhause seit einiger Zeit als das größte Wachstumsgebiet für das Internet der Dinge, neben den sogenannten „Wearables“ (z. B. smarte Uhren) ist es die zweitpopulärste Verwendung. Nun hat also mein Haus das Zeitalter des Internets der Dinge betreten. In unserer Küche steht Amazons Echo dot (sprachgesteuertes Gerät, das mithilfe von Alexa Musik wiedergibt, Smart Home-Geräte steuert, Informationen bereitstellt, die Nachrichten liest, Wecker stellt etc.) und als ich zuletzt gezählt habe, waren zwölf Geräte damit verbunden. Jetzt können wir „Alexa“ nach Antworten auf unsere Fragen und nach Definitionen fragen und es mit Bluetooth Geräten wie Lautsprechern und Handys verbinden. Alexa gibt sogar halbwegs anständige Antworten auf existenzielle Fragen, am besten noch „Warum heißt du Alexa?“ worauf sie antwortet: „Ich bin nach der Bibliothek in Alexandria benannt, welche alles antike Wissen beinhaltete.“ Alexa beherrscht Multi Tasking, sie kann Witze erzählen während sie die Uhr beim Kochen stellt, sie fügt etwas zur Einkaufsliste hinzu während sie Radio spielt. Der nächste Schritt ist den Wasserkocher, die Heizung und die Beleuchtung in der Wohnung zu verbinden.
Hunde-Sitting übers Internet

Im Bereich der tragbaren Geräte („Wearables“) kann meine Herzfrequenz von meinem Fahrradcomputer während einer Trainingsfahrt gemessen werden, welche dann zusammen mit den Streckeninformationen (Steigung, Geschwindigkeit etc.) auf meinen Laptop geladen werden. Ein fitbit würde dasselbe während des Laufens tun. Lina, unsere neunjährige Hündin hat einen digitalen ID-Chip, der ihren Hundepass verifiziert. Wir benutzen außerdem eine App auf dem Handy oder Laptop, die mit unserer Webcam über das W-LAN-Netzwerk mit dem Programm Cam2pet verbunden ist. Wie eine Baby Webcam kann ich darüber mit ihr sprechen, wenn ich für URBACT unterwegs bin. Wir benutzen außerdem eine App namens „Pawshake“ um Leute zu finden, die auf sie aufpassen wenn wir zu Konferenzen reisen – wie erst kürzlich nach St. Denis, Gent und Mantova. Wenn sie mal für eine Runde raus will benutzt sie allerdings immer noch das analoge Bellen.

Das Internet der Dinge wird wahrscheinlich in Zukunft von Sprachsteuerung dominiert sein. Das macht vor allem in der Küche Sinn, wo die Hände oft voll, nass oder klebrig sind. Am vermeintlich simplen echo.dot Gerät hat Amazon immerhin vier Jahre mit 1200 Beschäftigten gearbeitet, dennoch kostet es nur moderate 60 Euro. Amazon erhofft sich offensichtlich eine Menge Einkaufslisten. Aber es erklärt, warum Städte mit knappen Mitteln Probleme haben, Schritt zu halten. Für Bürger in der Stadt ist das Telefon wahrscheinlich die Kernschnittstelle. Der Amazon Echo Dort wird für die Benutzung in Autos angepasst, denn Sprachsteuerung ist wichtig, wenn man nicht beim Tippen oder mit dem Telefon am Ohr erwischt werden will.

Bislang wenig Einfluss auf das Leben in der Stadt
Was die Stadt betrifft, konnte ich mir vorstellen wie wir einen besseren Verkehrsfluss oder Echtzeitinformationen über das Wetter ermöglichen können, aber ich hätte nicht gedacht, dass es wirklich mein tägliches Leben verändern wird. Das spiegelt sich hier in Hackney, Ost London wider, wo meine Hündin Lina offenbar mehr Zugang zum Internet der Dinge hat, als ein Bürger in meinem Bezirk. Obwohl in  Hackney das Shoreditch „Silicon Roundabout“ beheimatet ist, angeblich mit der größten Dichte an App-Entwicklern in Europa, gibt es keine sichtbaren kommunalen Apps. Unser Parksystem ist noch recht elementar, man kann zwar mit einer App bezahlen, aber sie beinhaltet keine Informationen über die verfügbaren Plätze. Unsere Mülleimer sind immer noch offline und werden immer dienstags geleert, egal ob sie voll oder leer sind. Die Ampeln werden grün, auch wenn niemand dort steht und man sieht nie eine „grüne Welle“, wie man sie aus Hollywoodfilmen kennt. Straßenbeleuchtung gehen in der Abenddämmerung an und gehen im Morgengrauen aus, so wie sie es immer getan haben. Es gibt ein Pilotprojekt rund um die Verbesserung der Luftqualität und die Förderung von Radverkehr und elektrischen Fahrzeugen am anderen Ende des Stadtbezirks,  aber bisher noch nicht mit viel Bezug zum Internet der Dinge.
Die einzige erwähnenswerte IoT-App ist in einigen Bushaltestellen zu finden, die eine Echtzeitanzeige zum Eintreffen der Busse haben. GPS-Tracker in den Bussen senden die Informationen via 4G durch ein Kontrollzentrum und von da aus weiter zu den Bushaltestellen. Dasselbe Kontrollzentrum kann von über 30 ÖPNV-Apps angesteuert werden. Folglich ist mein Handy also in der Lage auf Big und Open Data zuzugreifen, welche von einer städtischen Agentur in Echtzeit bereitgestellt werden und von meinem Londoner Bürgermeister verwaltet sind. Aber in meiner Nachbarschaft ist das Internet der Dinge noch kein bisschen angekommen. Der nächste Schadstoffbelastungssensor ist über drei Meilen entfernt, in einem anderen Stadtbezirk. Das zeigt gut die Schwierigkeiten auf, die Klein- und Mittelstände mit der Umsetzung des digitalen Wandels haben.

 

Beispielhaftes Pilotquartier in Südkorea
Es brauchte einen Besuch in Seouls Viertel Bukchon um das größere Potenzial des IoT für unser alltägliches Leben zu erkennen. Südkorea betrachtet sich selber als ein IoT-Kraftwerk und hat mit Songdo eine 600 Hektar große Smart City in der Nähe des Incheon Flughafen, 40 Kilometer von Seoul entfernt. Bukchon ist eine Welterbestätte, die antike Paläste und steile Straßen mit traditionellen Holzhäusern kombiniert. Es ist das erste Pilotviertel der Stadt und es testet eine breite Palette von Anwendungen, die das Leben der Bewohner, aber auch die Erfahrungen von Touristen verbessern sollen. Das Thema der Beziehung zwischen Anwohnern und Besuchern ist sehr wichtig in diesem Gebiet geworden, da die Besucherzahlen sich in den letzten Jahren verzehnfacht haben (von 30.000 auf 300.000 pro Jahr) und es zu Spannungen zwischen beiden Gruppen bei Themen wie Abfall, Lärm, Parken und dem Angaffen auf der Straße kam.
Der IoT-Versuch beinhaltet insgesamt 14 Anwendungen, die im Quartier parallel laufen. Hier eine Auswahl:

  • Feuerüberwachung mithilfe von elektronischen Daten und Sensoren, welche Kurzschlüsse und potentielle Feuerrisiken in Holzhäusern entdecken
  • Sicherheit – junge Leute, bzw. deren Eltern profitieren von Tracking Geräten, sodass sie mit ihrem Smartphone überprüfen können, wo sich ihre Kinder befinden. Die App sendet automatisch einen Alarm, wenn sich die Kinder außerhalb einer vordefiniert „Sicherheitszone“ befinden. Ältere Menschen, insbesondere solche mit Gedächtnisstörungen wie Alzheimer, können mithilfe der App besser nach Hause finden oder von Rettungsdiensten gefunden werden.
  • Abfallmanagement, um überfüllten Mülleimern vorzubeugen und die Effizienz zu erhöhen. Sensoren in den Mülleimern informieren den Müllwagen wenn der Mülleimer voll ist und benutzen Solarenergie um den Müll zu komprimieren, was zu einer Steigerung der Energieeffizienz um 80 Prozent führt.
  • Das Parken ist durch Sensoren und Kameras für jeden Parkplatz organisiert. Eine App zeigt dabei an, wo sich freie Parkplätze befinden. Touristen und Einheimische bezahlen unterschiedliche Gebühren und es können akute Preisanstiege eingesetzt werden. Lokale Organisationen, die freie Parkflächen haben, sowie bspw. Kirchen an Wochentagen, können diese kostenpflichtig zur Verfügung stellen.
  • Informationen und Empfehlungen für Touristen: geolokalisierte Informationen in Smartphone-Apps versorgen Touristen mit Informationen des Kulturerbes vor dem sie gerade stehen. Es hilft ihnen aber auch, sich zurechtzufinden, wenn sie sich verlaufen haben und zeigt ihnen mit Verhaltenstipps, wie sie sensiblere Touristen werden können, also beispielsweise Einwohner nicht anzugaffen, ihren Müll nicht auf die Straße zu werfen oder leise zu sein.
  • Förderung der lokalen Wirtschaft mithilfe von Echtzeitinformationen über geöffnete Hotels, Restaurants und Cafés.

Seoul benutzt dieses Pilotprojekt um die schwierigeren Themen des digitalen Wandels anzugehen. Zum Beispiel, wie man gemeinsame Standards entwickelt und verschiedene Systeme integriert, wie man typische Fallen wie beispielsweise schlüsselfertige Systeme zu haben und wie man mit Fragen der Privatsphäre umgeht (z. B. zu Gesundheit, Bewegung). Zu beachten ist allerdings, dass die sensibelsten Anwendungen bereits durch die Smartphone-Technologie verfügbar sind. Man kann bereits sein Kind an sieben Tagen die Woche 24 Stunden lang mit einem Smartphone beobachten, Bukchon bietet allerdings weitere Basisstationen und kostenloses Wifi. Es brauchte kein städtisches IoT-Pilotprojekt um diesen Service bereitzustellen, aber die Einbindung der lokalen Schule kann ohne Zweifel die Inanspruchnahme erhöhen. Diese Nutzungen für den persönlichen Gebrauch bringen Fragen nach Privatsphäre, Daten und Sicherheit auf. Es ist eine Sache zu sehen, wo das eigene Kind sich in der Nachbarschaft aufhält, aber man stelle sich vor, dass ein Hacker auf dieselben Daten zugreifen kann. Seoul arbeitet an diesen Themen als Teil des Pilotprojekts und beteiligt die Bürger in diesem Prozess.

 

Europäische Städte und das Internet der Dinge
Europäische Städte zeigen eine sehr unterschiedliche Entwicklung im Bereich des Internets der Dinge. Es gab einen enormen Anstieg der Aktivitäten durch Horizon 2020 und seine „Leuchtturm“-Projekte. Viele der „üblichen Verdächtigen“ sind führend in diesem Feld. Eindhoven, bereits bekannt als die „Poster Stadt“ für die Triple Helix hatte ein Forschungs-Projekt namens „Citypulse“ welches Lautstärkepegel und öffentliche Nachrichten in sozialen Medien überprüft und daraufhin die Ampelschaltung anpasst. Wenn eine Störung ernster wird, kann die Polizei eingreifen oder andere Interventionen einleiten. Barcelona und Dublin sind bekannt für ihre smarten Mülleimer.

Smart City Fallbeispiel: Barcelona
Barcelona hat ein 500 Kilometer langes Glasfasernetzwerk. Dieses bildet das Herz eines Zentralcomputers, der verschiedene Dienstleistungen hosted und außerdem die Stadt mit freiem W-LAN versorgt. Die Beleuchtung in der Stadt ist darauf abgestimmt, Energiekosten zu senken. Die Stadt hat 1100 gewöhnliche Lampen mit LEDs ersetzt und dabei einer Energieeinsparung von 30 Prozent erreicht. Sensoren in den Lampen können erkennen, wenn Menschen an ihnen vorbeikommen  und hellen sich auf bzw. dimmen sich wieder. Dieselben Laternen bilden teilweise das W-LAN-Netzwerk und beinhalten Luftqualitätssensoren. Es gibt in 19.500 intelligente Messgeräte („Smart Meters“) in gezielten Bereichen der Stadt, die den Energieverbrauch überwachen und optimieren. Smarte Mülleimer überwachen den Füllstand und optimieren die Entsorgungsrouten. In Sachen Transport hat Barcelona mehrere Elektroautos und Fahrradverleih-Modelle, während digitale Bushaltestellen nicht nur Informationen über die Abfahrzeiten der Busse geben, sondern auch mit Ladestationen, freiem W-LAN und Informationen über die besten Apps zum besseren Kennenlernen der Stadt ausgestattet sind. Fahrer können die Vorteile der App „ApparkB“ in Anspruch nehmen. Diese identifiziert freie Parkplätze und erlaubt dem Nutzer, direkt online dafür zu bezahlen. Selbst die Bewässerungssysteme in Barcelonas Parks sind an das Netzwerk angeschlossen. Sensoren beobachten Regen und Luftfeuchtigkeit, sodass Parkarbeiter besser entscheiden können, wieviel Wasser in jedem Bereich benötigt wird. Dieses System hat zu einer Reduzierung von 25 Prozent des Wasserverbrauchs geführt. Barcelona hat das städtische Betriebssystem („Sentilo“), welches all diese Sensoren kontrolliert, frei verfügbar für andere Städte gemacht. Weitere spanische Städte gehen ebenfalls wegweisend voran. Santander hat 12.000 Sensoren, die Echtzeitinformationen aufnehmen und stellt sich selbst als Testfeld für Unternehmen zu Verfügung, um mit dem Internet der Dinge zu experimentieren.

Glasgow hat intelligente Straßenbeleuchtung, welche sich selbst anschaltet, wenn Fußgänger vorbeikommen. Berlin hat ein Smart Parking System entwickelt. Aber genau wie bei mir in Hackney (200.000 Einwohner) gibt es nur wenige Beispiele von Klein- und Mittelstädten in Europa. Es gibt außerdem ein Nord-Süd und ein Ost-West-Gefälle, mit den meisten guten Praktiken aus Nord-West-Europa, was durch die Erfolge von Horizon 2020-Projekten noch verstärkt wurde.

Als Teil der EU Urban Agenda gibt es nun eine Partnerschaft zum Digitalen Wandel. Diese wird Oulu in Finnland und Sofia in Bulgarien als Lead Städte miteinbeziehen. Das erste Treffen wurde in Oulu am 16 und 17. Februar 2017 abgehalten und es wird einen weiteren URBACT-Bericht über den Fortschritt dieser Partnerschaft geben. Oulu selber ist bereits führend im IoT besonders interessiert in elektronischen Gesundheitsanwendungen (E-Health). Während unseres Besuches wurde uns ein „Living Lab“ gezeigt, das an neuen Gesundheits-Apps  arbeitet. Die witzigste war ein auf einem Segway montiertes iPad, ungefähr 1,5 Meter groß (erinnerte mich an die stehende Version von R2D2), das zwischen  Betten umherfahren kann und über das man mit einem Arzt verbunden werden und sprechen kann. In dünn besiedelten Regionen in der Nähe des Polarkreises könnte das die Patientenkommunikation und Pflege radikal verbessern.
Unterdessen im analogen Hackney: Ich freue mich auf den Tag, an dem meine Stadt ein paar nützliche IoT-Funktionen in mein Viertel bringt.

Zum Originalartikel des URBACT-Experten Peter Ramsden