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Die „Altonaer Deklaration“: URBACT unterstützt Entstehung eines Leitdokuments zum Miteinander in der Stadtgesellschaft

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16 March 2020
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Interview zum Netzwerk Rumourless Cities mit Adelina Michalk vom Fachamt für Sozialraummanagement des Bezirksamts Altona.

Ziel des URBACT-Netzwerks Rumourless Cities sind die Stärkung der demokratischen Werte und der Abbau von Vorurteilen und Diskriminierung jeglicher Art in der Stadtgesellschaft. Den Wissensaustausch und die Impulse der europäischen Partner im Transfer-Netzwerk nutzte das Hamburger Bezirksamt Altona, um einen basisdemokratischen Prozess zu gestalten und umzusetzen, an dessen Ende die sog. „Altonaer Deklaration“ stand. Dieses öffentlichkeitswirksam verabschiedete politische Leitdokument ist ein Bekenntnis des Bezirksamtes Altona zu Vielfalt, Weltoffenheit und Toleranz. Adelina Michalk gewährt uns einen Einblick in den Entstehungsprozess der Altonaer Deklaration und wie URBACT dabei unterstützte. 

Mit welcher Ausgangssituation sind Sie in das URBACT-Netzwerk gestartet? Was ist die Herausforderung in Hamburg-Altona?

Hamburg-Altona ist ein diverser und bunter Stadtteil. Diskriminierung und Populismus bergen daher bei uns in besonderem Maße die Gefahr, das friedliche Miteinander unserer Bewohnerinnen und Bewohner zu untergraben. Vor diesem Hintergrund hat das Bezirksamt Altona Ende 2018 ein umfassendes Positionspapier zu Integration, soziale Inklusion und Diversität veröffentlicht. Als Rekapitulation und Weiterentwicklung des Hamburger Integrationskonzepts wird darin ein Perspektivwechsel gefordert. Denn wo Diversität gelebter Alltag ist, da sollte der Fokus nicht ausschließlich auf Minderheiten und unserem Umgang mit ihnen liegen. Stattdessen möchten wir positiv das Bekenntnis zur Vielfalt in den Mittelpunkt unserer Aktivitäten stellen. Die relevanteste Maßnahme, mit der dieser Perspektivwechsel angestoßen wird, ist die Entwicklung der Altonaer Deklaration. In einem partizipativen Prozess sollte dieses einprägsame und strahlkräftige Leitdokument entstehen, um zukünftig das diverse und weltoffene Weltbild Altonas widerzuspiegeln.

Welche Ziele möchten Sie im Rahmen von URBACT speziell für Ihre Stadt erreichen?

  Konkret möchten wir eine Diversifizierung des Integrations- und des Inklusionsbegriffs anstoßen. Das URBACT-Netzwerk Rumourless Cities und die Good Practice von Lead Partner Amadora aus Portugal passten hier genau in unsere geplanten Aktivitäten. Vom Mitwirken im Netzwerk erhoffen wir uns einen Blick über den Tellerrand, der zusätzliche Ideen liefert, wie unser Perspektivwechsel gelingen kann und wie wir die Entwicklung der Altonaer Deklaration angehen können. URBACT bietet hier vor allem die Chance, sich inhaltlich und konzeptionell umfassende Gedanken zu machen. Diese Ressourcen hätten wir anderweitig nicht gehabt – vor allem nicht mit Blick auf die wertvolle externe Expertise der Lead Expertin Ruth Essex  und der anderen Netzwerkpartner. Unter anderem konnten wir mithilfe von URBACT auch eine Agentur beauftragen, die für uns eine Online-Abstimmung zu möglichen Thesen der Altonaer Deklaration organisiert hat (siehe Abbildung). Ein weiteres wichtiges Ziel war zudem, URBACT als Multiplikator für die Altonaer Deklaration zu nutzen. Über die Arbeit in der URBACT Local Group wollten wir früh wichtige lokale Akteure in den Prozess einbinden.

Welchen Mehrwert haben Sie bislang vom europäischen Austausch mit den anderen Städten Ihres Netzwerkes?

Ein abstrakter Mehrwert ist die bereits genannte Möglichkeit zum intensiven konzeptionellen Arbeiten. Kombiniert mit der internationalen Komponente bietet URBACT damit eine sehr gute Gelegenheit abseits des Arbeitsalltags neue Ideen zu sammeln und zu entwickeln. Auch ganz konkret konnten wir vom Austausch mit den internationalen Partnerstädten profitieren. Vom spanischen Bilbao haben wir beispielsweise mitgenommen, wie groß der Einfluss von positivem statt negativem Framing bei der Vermittlung von Botschaften sein kann. Unsere Lead Partnerstadt Amadora zeigte mit ihrer Good Practice wiederum sehr anschaulich, wie wichtig der Schulterschluss zwischen Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit ist. Dort haben wir auch die Anregung mitgenommen, in der Stadtöffentlichkeit bekannte Personen als Fürsprecherinnen und Fürsprecher zu gewinnen.

Was ist Ihre Bilanz zur bisherigen Projektlaufzeit? Was läuft gut, wo gibt es noch Luft nach oben?

Der zum Projektstart obligatorische Letter of Intent von bezirks- politischer Seite ist auf jeden Fall positiv hervorzuheben. Das half uns, das Thema zu formalisieren und uns langfristig Unterstützung von übergeordneter Ebene für die Entwicklung der Altonaer Deklaration zu sichern. Außerdem sorgen die Teilnahme am URBACT-Programm und die inbegriffenen partizipativen Prozesse für eine besondere Öffentlichkeitswirksamkeit. Das Bezirksamt wird häufig mit den wenig inspirierenden formellen Amtsgängen assoziiert. Nun, da die Bewohnerinnen und Bewohner aktiv nach ihrer Meinung zur Altonaer Deklaration gefragt werden, sind sie positiv überrascht, dass sich das Bezirksamt auch um solche gestalterischen und weitreichenden Prozesse kümmert. Die Resonanz ist gut. Bei der erwähnten Online-Umfrage zu den Thesen der Altonaer Deklaration haben sich über 1.000 Personen beteiligt.

Als kleines Manko kann man die bürokratischen Anforderungen in Sachen Berichterstattung anführen. Diese sind sicher leist- und nachvollziehbar, binden jedoch einen nicht unerheblichen Teil des Projektbudgets. Wichtig ist auch, im Blick zu haben, dass eine Partnerstadt in Vorfinanzierung gehen muss. Entsprechend nutzbare Haushaltsposten müssen also bereits kalkuliert sein.

Transfer-Netzwerke gab es bislang bei URBACT nicht. Was ist Ihr Eindruck: Was sind die Herausforderungen dabei, das gute Beispiel der Lead-Partner-Stadt auf Ihren Kontext zu übertragen?

Wir als Projektpartner empfinden das Format der Transfer-Netzwerke als sehr anregend und entlastend. Eine 100-prozentige Übertragung der guten Praxis ist aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den jeweiligen Partnerstädten natürlich nicht zielführend. Uns wurde jedoch von Beginn an klar vermittelt, dass diese auch nicht das Ziel sei, sondern das gute Beispiel im eigenen Kontext angepasst und weiterentwickelt werden soll. Hier haben wir das große Glück, dass Amadoras gute Praxis zum Abbau von Gerüchten und Diskriminierung sehr gut zu unserem aktuellen Vorhaben des Perspektivwechsels in der Integrations- und Inklusionsarbeit in Altona passt.

Das URBACT-Programm möchte natürlich nachhaltige positive Entwicklungen anstoßen und fördern. Wie ordnet sich vor diesem Hintergrund URBACT in eine gesamtstädtische Strategie ein? Ist bereits absehbar, was nach URBACT kommt?

Rumourless Cities unterstützt uns bei der Entwicklung der Altonaer Deklaration als ein übergeordnetes Leitbild. Werte wie sozialer Zusammenhalts und Vielfalt, die wir in der Deklaration festschreiben, müssen natürlich auch über die Laufzeit des URBACT-Projektes hinaus mit Leben gefüllt werden. Letzten Endes sollen die Thesen der Deklaration von den Anwohnerinnen und Anwohnern „in Besitz“ genommen werden und Vorschläge zur Umsetzung sollen aus der Stadtgesellschaft kommen. Hierbei hilft uns einerseits das Bundesprogramm „Demokratie Leben!, das auch über die Laufzeit von URBACT hinaus noch die Vernetzung von Akteurinnen und Akteuren vor Ort zum Thema Integration und Diskriminierungsprävention vorantreiben wird.

Eine große Bühne, um die Deklaration und ihre Inhalte der Stadtgesellschaft näher zu bringen, bietet auch die nächste „Altonale“. Dort wird die Deklaration öffentlichkeitswirksam präsentiert und in verschiedenen Formaten wie Kunstprojekten und Podiumsdiskussionen thematisiert. Im Gespräch sind wir auch mit dem großen in Altona ansässigen Sportverein, um hier eine Weg zu finden, die Deklaration über den Sport mit Leben zu füllen. Vielleicht springt der Funke langfristig sogar auf weitere Bezirke über.

 

Weitere Informationen:

  • Homepage: https://urbact.eu/rumourless-cities
  • Twitter: https://twitter.com/RumorlessCities
  • Altona Deklaration: https://www.hamburg.de/altona/altonaer-deklaration/
Netzwerk: RUMOURLESS CITIES
Netzwerktyp: Transfer-Netzwerk
Laufzeit:Mai 2018 - Dezember 2020
Lead-Partner: Amadora (PT)
Weitere Partner: Hamburg-Altona (DE), Cardiff (UK), Messina (IT), Warschau (PL), Alba Iulia (RO)
Lead-Expertin: Ruth Essex

Fotos: © Bezirksamt Altona